Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert bei Klagen von Verbraucherschutzverbänden

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Verbänden nach § 8 III Nr. 3 UWG ist für die Streitwertfestsetzung auf das satzungsgemäß wahrgenommene Interesse der Verbraucher abzustellen; dieses Interesse kann erheblich höher liegen als das eines einzelnen Mitbewerbers.

 

Normenkette

GKG § 68; RVG § 32 Abs. 2 Nr. 1; UWG § 8 Abs. 3 Nr. 3; ZPO § 3

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 20.11.2019; Aktenzeichen 16 O 52/19)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

1.) In Abänderung des Beschlusses vom 20.11.2019 wird der Streitwert auf 15.000 EUR festgesetzt.

2.) Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Das Landgericht hat in Abweichung von der Streitwertangabe des Antragstellers in der Antragsschrift (30.000,- EUR) den Streitwert für die zwei im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemachten Ansprüche auf insgesamt 5.000 EUR festgesetzt. Mit Schriftsatz vom 18.11.2019 hat der Antragsteller den Rechtsstreit für erledigt erklärt und mitgeteilt, die Parteien hätten sich geeinigt und gingen übereinstimmend von einem Streitwert von 15.000 EUR aus.

Der gegen die Streitwertfestsetzung gerichteten Beschwerde des Antragstellers, mit der dieser die Festsetzung auf 15.000 EUR begehrt, hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die nach § 32 II 1 RVG i.V.m. § 68 GKG zulässige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers hat in der Sache Erfolg. Das Interesse des Antragstellers an der Durchsetzung der mit dem Eilantrag geltend gemachten Unterlassungsbegehren erscheint mit dem vom Antragsteller begehrten Streitwert von 15.000,- EUR zutreffend bemessen.

1.) Nach § 51 Abs. 2 GKG ist der Streitwert entsprechend der sich aus dem Antrag des Klägers bzw. Antragstellers ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen. Bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen bemisst sich der Streitwert nach dem Interesse des Anspruchstellers, künftige Verletzungshandlungen der geltend gemachten Art zu verhindern. Dabei ist die Gefährlichkeit der zu unterbindenden Handlung im Hinblick auf den drohenden Schaden, der sog. "Angriffsfaktor", zu berücksichtigen.

Bei Verbänden nach § 8 III Nr. 3 UWG - wie es der Antragsteller einer ist - ist das satzungsmäßig wahrgenommene Interesse der Verbraucher maßgebend (BGH GRUR-RR 2013, 528 Rn. 2; BGH GRUR 2017, 212 Rn. 9). Es kommt also auf die gerade den Verbrauchern drohenden Nachteile an. Dieses Interesse kann uU erheblich höher liegen als das Interesse des Mitbewerbers. Da der Antragsteller als Verbraucherschutzverband die Aufgabe hat, diese Belange zu vertreten, ist sein Interesse an der gerichtlichen Durchsetzung daher höher zu bewerten als das Interesse einzelner Mitbewerber. (Senat K&R 2011, 806 zu fehlender Widerrufsbelehrung; KG WRP 2010, 789; OLG Karlsruhe MDR 2016, 1116).

2.) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats kommt der Streitwertangabe des Antragstellers zu Beginn des Verfahrens eine erhebliche indizielle Bedeutung für das tatsächlich verfolgte Interesse zu (vgl. Beschl. v. 3.11.2011 - 6 W 65/10). Da er zum Zeitpunkt der Einreichung der Antragsschrift nicht sicher wissen kann, ob sein Antrag Erfolg haben wird, ist er von sich aus gehalten, sein wirtschaftliches Interesse an der Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes realistisch einzuschätzen. Eine Abweichung von der Streitwertangabe kommt daher im Regelfall nur in Betracht, wenn Anzeichen dafür bestehen, dass diese Angabe erheblich über- oder untersetzt ist.

3.) Danach erscheint das Interesse des Antragstellers mit 5.000 EUR nicht ausreichend bemessen.

Es bestehen bereits keine Anhaltspunkte dafür, dass der mit der Beschwerde nur noch verfolgte Wert von 15.000,- EUR erheblich übersetzt ist. Der Antragsteller hat mit seinem Verfügungsantrag zwei Unterlassungsansprüche geltend gemacht: Das gänzliche Fehlen einer Widerrufsbelehrung sowie eine nicht den gesetzlichen Ansprüchen genügende Garantieerklärung. In Anbetracht der oben dargestellten Besonderheiten des Antragstellers als Verbraucherschutzverein bestehen für den Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass jedenfalls der mit der Beschwerde nur noch geltend gemachte Wert von 7.500 EUR pro Antrag als übersetzt anzusehen sind. Die beanstandete Garantieklausel sowie das gänzliche Fehlen einer Widerrufsbelehrung betreffen zentrale Verbraucherrechte; zudem wendet sich die Antragsgegnerin via Amazon an eine Vielzahl von Kunden.

Hinzu kommt, dass nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragstellers die Antragsgegnerin einen Streitwert von 15.000,- EUR als angemessen ansieht. Dies lässt eine Unangemessenheit der Angabe des Antragstellers als noch fernliegender erscheinen.

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG. Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) ist im Streitwertfestsetzungsverfahren kein Raum (§§ 68 I 5 i.V.m. 66 III 3 GKG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 13762276

NJW 2020, 9

GRUR 2020,...

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