Leitsatz (amtlich)
Beschwerden des in § 14b Abs. 1 Satz 1 FamFG genannten Personenkreises müssen in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit seit dem 1.1.2022 entweder zur Niederschrift der Geschäftsstelle oder schriftlich durch Übermittlung einer Beschwerdeschrift als elektronisches Dokument eingelegt werden. Eine Beschwerdeeinlegung durch Übersendung der Beschwerdeschrift per Telefax, Computerfax oder per Post genügt dem Formerfordernis nicht.
Normenkette
FamFG § 14 Abs. 2, § 14b Abs. 1, §§ 18, 63, 64 Abs. 2 S. 1, § 70 Abs. 4; ZPO § 130a
Verfahrensgang
AG Wetzlar (Aktenzeichen 616 F 1086/21) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführenden Jugendamts als unzulässig verworfen.
Den Kindeseltern wird für den zweiten Rechtszug ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von ... bewilligt.
Der Verfahrenswert wird für den zweiten Rechtszug festgesetzt auf 2.000,- Euro.
Gründe
I. Nachdem das beteiligte Jugendamt das Familiengericht in einem dort anhängigen Kinderschutzverfahren über die am 27.10.2021 gegen den Willen ihrer Eltern erfolgte Inobhutnahme der drei betroffenen Kinder unterrichtet hatte, leitete das Familiengericht am 5.11.2021 das vorliegende einstweilige Anordnungsverfahren ein. Nach persönlicher Anhörung der betroffenen Kinder und der Eltern und Erörterung erteilte das Familiengericht den Kindeseltern mit dem angefochtenen Beschluss im Wege der einstweiligen Anordnung mehrere Auflagen, lehnte die Ergreifung darüber hinausgehender Maßnahmen, insbesondere einen vorläufigen Entzug der elterlichen Sorge, jedoch ab. In der Rechtsbehelfsbelehrung wies es auf die zweiwöchige Beschwerdefrist und die Möglichkeit der Beschwerdeeinlegung durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle hin.
Dem beteiligten Jugendamt wurde der Beschluss am 23.12.2021 zugestellt, woraufhin die Inobhutnahme beendet und die drei Kinder in den Haushalt ihrer Eltern zurückgeführt wurden.
Mit seiner auf den 30.12.2021 datierten Beschwerde begehrt das Jugendamt die Ergreifung von Maßnahmen, die zum Schutz der Kinder mit einer vorläufigen Trennung der Kinder von ihren Eltern verbunden sind.
Nachdem ein Versuch, die Beschwerdeschrift am 30.12.2021 per Telefax an das Familiengericht zu übermitteln, gescheitert war, gab das Jugendamt die Beschwerdeschrift zur Post. Sie ging am 5.1.2022 in Papierform beim Amtsgericht ein. Das Jugendamt hat außerdem einen Faxsendebericht vorgelegt, wonach die Beschwerdeschrift am 3.1.2022 per Computerfax an das Amtsgericht gesendet worden ist.
Die Kindeseltern sind der Beschwerde in der Sache entgegengetreten.
Der Verfahrensbeistand ist der Beschwerde ebenfalls in der Sache entgegengetreten, hält diese im Hinblick auf den zum 1.1.2022 in Kraft getretenen § 14b FamFG jedoch auch für unzulässig.
Die Beteiligten sind auf die beabsichtigte Verwerfung der Beschwerde als unzulässig hingewiesen worden.
II. Die Beschwerde ist gemäß § 68 Abs. 2 FamFG als unzulässig zu verwerfen, weil sie innerhalb der nach §§ 63 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 1, 16 Abs. 2 FamFG, 222 Abs. 1 und 2 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 6.1.2022 endenden zweiwöchigen Beschwerdefrist nicht in der durch § 64 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, 14b Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 2 FamFG, 130a ZPO vorgeschriebenen Form eingelegt worden ist.
Nach § 14b Abs. 1 Satz 1 FamFG sind schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen von Behörden seit dem 1.1.2022 als elektronisches Dokument im Sinne der §§ 14 Abs. 2 FamFG, 130a ZPO einzureichen.
Die Einreichung eines entsprechenden elektronischen Dokuments ist hier unzweifelhaft nicht erfolgt; insbesondere ist ein vom Faxgerät des Gerichts ausgedrucktes Computerfax weder ein elektronisches Dokument noch genügt es den hieran nach §§ 14 Abs. 2, 130a Abs. 2 bis 4 ZPO zu stellenden Anforderungen (vgl. BeckOK-ZPO/von Selle, Stand: 1.1.2022, § 130a, Rdnr. 8).
Das Jugendamt war auch nicht deswegen von der Einreichung eines elektronischen Dokuments befreit, weil § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG auch eine Beschwerdeeinlegung zur Niederschrift zur Geschäftsstelle zulässt. Bedient sich das Jugendamt nicht dieser Form der Beschwerdeeinlegung, sondern der in § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG alternativ vorgesehenen Beschwerdeeinlegung "durch Einreichung einer Beschwerdeschrift", muss es nach Auffassung des Senats seit dem 1.1.2022 ein den Anforderungen des § 130a ZPO genügendes elektronisches Dokument übermitteln.
Zwar ist der zum 1.1.2022 in Kraft getretene § 14b Abs. 1 Satz 1 FamFG durch Gesetz vom 5.10.2021 (BGBl. I S. 4607) gegenüber seiner ursprünglichen, durch Gesetz vom 10.10.2013 (BGBl. I S. 3786) vorgesehenen Fassung dahingehend abgeändert worden, dass er die Einreichung eines elektronischen Dokuments nicht mehr für sämtliche Anträge und Erklärungen, sondern nur noch für schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen von Rechtsanwälten, Notaren, Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts vorsieht. Damit sollte ausweislich der Begründung des unverändert über...