Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz nach Verkehrsunfall: Ersatzfähigkeit von Mietwagenkosten
Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich darf der Geschädigte zum Ausgleich der unfallbedingt verlorenen Nutzungsmöglichkeiten seines Wagens für die Dauer der notwendigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung einen Mietwagen in Anspruch nehmen. Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann als erforderlicher Herstellungsaufwand nur Ersatz von Mietwagenkosten verlangt werden, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Danach kann er jedenfalls den ortsüblichen Normaltarif geltend machen. (Rn. 16)
2. Die Ermittlung der Schadenshöhe und damit des angemessenen Normaltarifs ist Sache des nach § 287 ZPO besonders freien Tatrichters. Die Art der Schätzgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor, so dass grundsätzlich zur Schadensschätzung sowohl die Schwacke-Liste als auch der Fraunhofer Mietpreisspiegel zugrunde gelegt werden können, ebenso wie die Bildung eines Mittelwerts aus beiden Listen oder die Beaufschlagung bzw. der Abschlag einer Pauschale in Betracht kommt (sog. Fracke-Methode). (Rn. 18)
3. In der obergerichtlichen Rechtsprechung werden zur Schätzung des Normaltarifs sowohl die Schwacke-Liste als auch der Fraunhofer-Mietpreisspiegel als auch - wohl überwiegend - das arithmetische Mittel aus Schwacke-Liste und Fraunhofer-Mietpreisspiegel herangezogen. Der erkennende Senat schließt sich der zuletzt genannten Methode an (Festhaltung OLG Frankfurt, Urteile vom 27.11.2019 - 7 U 22/19 und 7 U 147/18). (Rn. 21)
4. Der Geschädigte hat auch einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen Vollkaskoschutz, für Winterreifen, für die Fahrzeugzustellung, für einen Zusatzfahrer und der Kostenpauschale für eine Anmietung außerhalb der Geschäftszeiten. (Rn. 23)
5. Ein Abzug wegen ersparter Eigenaufwendungen in Höhe von 5% ist angemessen. (Rn. 29)
Normenkette
BGB § 249 Abs. 2 S. 1; ZPO § 287
Tenor
In dem Rechtsstreit ... weist der Senat darauf hin, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordern und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus abgetretenem Recht die Zahlung restlicher Mietwagenkosten aus diversen Verkehrsunfällen.
Die Klägerin vermietete in den Jahren 2013 und 2014 Fahrzeuge an insgesamt 16 bei Verkehrsunfällen Geschädigte. Die jeweiligen Geschädigten traten ihre Forderungen auf Ersatz von Mietwagenkosten gegen Schädiger, Halter und deren Haftpflichtversicherung erfüllungshalber an die Klägerin ab. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach für die bei den jeweiligen Verkehrsunfällen entstandenen Schäden ist ebenso unstreitig wie die jeweiligen Mietzeiten und die Eingruppierung der beschädigten Fahrzeuge in die jeweilige Mietwagenklasse. Im Schadenfall Nr. 16 der Geschädigten A hatte der Verkehrsunfall bereits im Dezember 2012, die Anmietung des Ersatzfahrzeuges hingegen erst im Januar 2013 stattgefunden.
Die Klägerin hat die Klageforderung zunächst auf der Grundlage des Schwacke-Autopreisspiegels berechnet, die Beklagte hat auf Grundlage des Marktpreisspiegels des Fraunhofer-Instituts die von ihr bereits geleisteten Zahlungen ermittelt. Die Klägerin hat sodann eine alternative Berechnung vorgenommen und hierbei den Mittelwert der beiden Preisspiegel sowie für die Mietwagennebenkosten den Schwacke Automietpreisspiegel zugrunde gelegt. Die von den Parteien jeweils angegebenen Werte als solche stehen zwischen ihnen nicht in Streit.
Das Landgericht Wiesbaden hat die Beklagte mit Urteil vom 16.09.2020 verurteilt, an die Klägerin 8.688,74 EUR zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Ersatz der streitgegenständlichen Mietwagenkosten zu. Der Umfang des gemäß § 249 BGB zu ersetzenden Schadens sei gem. § 287 ZPO nach der sog. Fracke-Methode zu ermitteln, mithin unter Ermittlung der jeweiligen Mittelwerte der gemäß dem Schwacke Automietpreisspiegel und gemäß dem Mietpreisspiegel des Fraunhofer Instituts jeweils angemessenen Betrages unter zusätzlichem Ansatz einer Eigenersparnis von 5% bei gleicher Mitwagenklasse und Einbeziehung der angefallenen und unfallbedingt erforderlichen Mietwagennebenkosten. Beide Listen seien grundsätzlich als Schätzgrundlage geeignet, sie hätten jedoch beide jeweils deutliche Vor- und Nachteile, sodass es sachgerecht erscheine, im Rahmen der Schätzung auf den Mittelwert zwischen beiden Markterhebungen abzustellen. Die klägerseits geltend gemachten Mietwagennebenkosten, die die Beklagte nicht hinreichend qualifiziert bestritten ...