Entscheidungsstichwort (Thema)

Sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO im markenrechtlichen Eilverfahren trotz Sequestrationsantrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat das Landgericht den Antragsgegner vor der Entscheidung über den Eilantrag in einer Markensache angehört, obwohl der Eilantrag auch einen Sequestrationsantrag enthält und der Antragsteller den Antragsgegner nicht abgemahnt hat, ist im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses in dem dann zu erlassenden Anerkenntnisurteil eine Kostenentscheidung nach § 93 ZPO zulasten des Antragstellers möglich.

2. Die Frage, ob die Anwendung von § 93 ZPO zugunsten des Antragsgegners in Betracht kommt, beurteilt sich in diesem Fall danach, ob das Landgericht davon hätte absehen müssen, den Antragsgegner anzuhören. Insoweit kann kein anderer Maßstab gelten als für die Fälle, in denen eine Abmahnung entbehrlich ist.

3. Um der Gefahr einer missbräuchlichen Geltendmachung des Sequestrationsanspruchs zu begegnen, kann im Einzelfall eine Prüfung notwendig sein, ob ein schützenswertes Sicherungsinteresse für die Sequestration tatsächlich bestand (Festhaltung an: OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.4.2020 - 6 W 31/20). Das kann zu verneinen sein, wenn der Antragsteller keinen Anhaltspunkt dafür hat, dass der Antragsgegner die Sequestration vereiteln wird. Hierfür kann der Umstand sprechen, dass es sich nicht um vorsätzlich nachgeahmte Zubehörteile oder Produktpiraterieware handelt, sondern um Originalteile, an denen die Markenrechte des Antragstellers noch nicht erschöpft waren.

4. Bei dieser prozessualen Situation ist es dem Berufungsgericht nicht verwehrt, die sachliche Berechtigung der Sequestrationsanordnung im Rechtsmittelverfahren zu überprüfen (Abgrenzung von: OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.4.2020 - 6 W 31/20).

 

Normenkette

ZPO § 93

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.07.2019; Aktenzeichen 2-06 O 269/19)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: 6.600,- EUR

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Kostenentscheidung in einem Anerkenntnisurteil, die das Landgericht im Rahmen eines Eilverfahren nach § 93 ZPO getroffen hat.

Die Antragstellerinnen haben wegen einer Markenverletzung den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin beantragt. Konkret hat sie beanstandet, dass die Antragsgegnerin Original-Kfz-Ersatz und -zubehörteile vertreiben, die mit den streitbefangenen Marken der Antragstellerinnen gekennzeichnet sind und ohne ihre Zustimmung in den Europäischen Wirtschaftsraum geliefert wurden. Der Eilantrag enthält neben dem Unterlassungsantrag und einem Auskunftsantrag zugleich einen Sequestrationsantrag, der darauf gerichtet ist, der Antragsgegnerin aufzugeben, alle in ihrem Besitz befindlichen, mit dem Unterlassungsantrag beschriebenen Zubehörteile an den Gerichtsvollzieher herauszugeben. Eine vorhergehende Abmahnung der Antragsgegnerin fand nicht statt.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 3.7.2019 (Bl. 132 ff. d.A.) angeordnet, dass die Antragsgegnerin vor einer Entscheidung schriftlich angehört werden soll und dies mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründet.

Mit Schriftsatz vom 12.7.2019 (Bl. 143 ff. d.A.), auf den verwiesen wird, hat die Antragsgegnerin die Ansprüche der Antragstellerinnen unter Protest gegen die Kostentragungspflicht anerkannt. Hieraufhin hat das Landgericht den mit der einstweiligen Verfügung geltend gemachten Anträgen durch Anerkenntnisurteil vom 18.7.2019 stattgegeben. Allerdings hat es die Kosten des Verfahrens nach § 93 ZPO den Antragstellerinnen auferlegt.

Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen.

II. Die nach § 99 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde kann in der Sache keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat den Antragstellerinnen die Kosten des Eilverfahrens zu Recht auferlegt haben, weil ein sofortiges Anerkenntnis der Antragsgegnerin im Sinne von § 93 ZPO vorliegt.

Nach § 93 ZPO fallen die Kosten einer Klage dem Kläger zur Last, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt. Nach diesem Rechtsgedanken, der auch auf das Eilverfahren angewandt werden kann (Zöller/Herget ZPO, 33. Auflage, § 93 Rn. 2), müssen die Antragstellerinnen die Verfahrenskosten nach dem sofortigen Anerkenntnis der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 12.7.2019 dann tragen, wenn diese durch ihr Verhalten keine Veranlassung gegeben hat, eine einstweilige Verfügung zu beantragen, ohne die Antragsgegnerin zuvor wegen des beanstandeten Verhaltens abzumahnen.

Insoweit ist den Antragstellerinnen zuzugeben, dass die unter dem 8.1.2021 erfolgten Hinweise des Senats zu kurz greifen. Der Senat hält nach erneuter Beratung an seiner von den Antragstellerinnen aufgezeigten bisherigen Rechtsprechung (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.4.2020 - 6 W 31/20 = ...

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