Leitsatz (amtlich)
Zur Versagung der Auslagenerstattung durch die Staatskasse bei Einstellung des Verfahrens nach dem Tod des Angeklagten genügt das Fortbestehen eines erheblichen Tatverdachtes.
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Entscheidung vom 10.10.2001; Aktenzeichen 22 Js 18879. 4/89) |
Tenor
Die Auslagenentscheidung des Beschlusses vom 10. 10. 2001 wird dahingehen abgeändert, dass die durch das Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen des verstorbenen Angeklagten zur Hälfte der Staatskasse auferlegt werden, im übrigen werden die Auslagen nicht erstattet. Die weitergehende Beschwerde wird als unbegründet verworfen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen zur Hälfte der Staatskasse zur Last, im übrigen hat der Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens und seine Auslagen zu tragen.
Gründe
Am 1. 03. 1995 wurde gegen R. K. Anklage erhoben wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung in 41 Fällen (§ 266 a Abs. 1 StGB), wegen Steuerverkürzung in 46 Fällen (§ 370 Abs. 1 AO) und wegen Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283 b Abs. 1 Nr. 3 StGB). Durch Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 27. 04. 1995 wurde die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Am 27. 05. 2000 verstarb der Angeklagte. Wegen des damit eingetretenen Verfahrenshindernisses stellte das Landgericht das Verfahren gegen den Angeklagten K. am 10. 10. 2001 gemäß § 206 a StPO ein. Die Verfahrenskosten wurden der Staatskasse zur Last gelegt. Das Landgericht sah gemäß § 467 Abs. 3 S. 2 Ziff 2 StPO wegen des fortbestehenden Tatverdachts davon ab, der Staatskasse auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen. Der Angeklagte sei nur durch den Tod der ansonsten sehr wahrscheinlichen Verurteilung entgangen. Das Verfahren gegen den u. a. wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen in neun Fällen und Steuerverkürzung in 11 Fällen Mitangeklagten B. wurde am 15. 01. 2002 gegen Zahlung einer Geldauflage von 3000 Euro vorläufig nach § 153 a StPO eingestellt.
Die sofortige Beschwerde des Verteidigers des Angeklagten K. gegen den Beschluß des Landgerichts vom 10. 10. 2001 ist statthaft (§ 464 Abs. 3 S. 1 StPO). Die Beschränkung des § 464 Abs. 3 S. 1 2. Hs. StPO gilt nicht, denn das Rechtsmittel gegen die Hauptentscheidung gemäß § 206 a StPO steht dem Angeklagten nur mangels Beschwer nicht zu. Die Beschwerde ist auch zulässig. Sie wurde insbesondere fristgemäß (§ 311 Abs. 2 StPO) durch den Verteidiger Rechtsanwalt E. eingelegt. Dessen Beauftragung erlosch nicht mit dem Tod des Angeklagten (§ 672 BGB), so dass er bis zum Widerruf durch die Erben jedenfalls dann zur Verteidigung bevollmächtigt blieb, wenn durch die angegriffenen Entscheidung - wie hier durch die Auslagenentscheidung - in verfahrensrechtliche Positionen eingegriffen wird, die bereits zu Lebzeiten des Angeklagten entstanden sind (Vergl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl. , Vor § 137 Rn. 7; OLG Frankfurt a. M. , 2. StrS, B. v. 15. 12. 1999, 2 Ws 160/99). Der Beschwerde kann in der Sache zum Teil der Erfolg nicht versagt werden. Im übrigen war sie als unbegründet zurückzuweisen. Das Gericht kann gemäß § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Hier ist der Angeklagte nach Anklageerhebung verstorben. Damit ist ein Verfahrenshindernis eingetreten, das nicht ohne weiteres zur Verfahrensbeendigung führt. Vielmehr muß ein bereits eröffnetes Verfahren durch Einstellungsbeschluß gemäß § 206 a StPO zu einem ordnungsgemäßen Abschluß gebracht werden ( BGH 45, 108; Kleinknecht/Meyer- Goßner, a. a. O. , § 206 a RN 8). Dies beinhaltet gemäß §§ 464 ff StPO eine Kosten- und Auslagenentscheidung. Das dann nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO eröffnete Ermessen, die Staatskasse von den Auslagen des Angeklagten freizustellen, schließt die Befugnis ein, die Freistellung auf einen Teil dieser Auslagen zu beschränken (Karlsruher Kommentar Schimansky, StPO, 4. Aufl. § 467 RN 9). Die Überbürdung der Auslagen auf den Angeklagten wird dabei in der Regel nur in Betracht kommen, wenn das Verfahrenshindernis - wie hier - erst nach Anklageerhebung eingetreten ist (vergl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a. a. O, § 467 RN 18). Nur wegen des Verfahrenshindernisses darf der Angeklagte nach dem Wortlaut der Norm wegen einer Straftat nicht verurteilt werden können. Damit setzt die Ermessensentscheidung zwingend eine Verdachtsprüfung voraus. Zu fordern ist dabei nicht die nur nach geständiger Einlassung oder sonst vollständig durchgeführter Beweisaufnahme in einer Hauptverhandlung zu erwartende sichere Annahme, dass der Angeklagte bei hinweg gedachtem Verfahrenshindernis wegen Schuldspruchreife zu verurteilen gewesen wäre (KG NJW 94, 600; Düsseldorf OLG ST Nr. 9; Hamm NJW 1986, 734). Diese Auslegung des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO verstie...