Entscheidungsstichwort (Thema)
Vernehmung eines Notars als Zeugen
Leitsatz (amtlich)
Ein zur Verschwiegenheit verpflichteter Notar kann nicht auf der Grundlage einer mutmaßlichen Einwilligung eines verstorbenen Erblassers als Zeuge über dessen Willensbildung bei Abfassung seiner letztwilligen Verfügung vernommen werden. Maßgeblich ist insoweit allein die Befreiung von der Pflicht zur Verschwiegenheit durch die Aufsichtsbehörde (§ 18 Abs. 2 Hs. 2 BNotO).
Normenkette
BNotO § 18 Abs. 2; ZPO § 383 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
AG Groß-Gerau (Beschluss vom 01.10.2019) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 260.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 2 ist der im Jahr 194X geborene Sohn der Frau Vorname1 X (geb. A, verw. B; im Folgenden: Erblasserin) und ihres späteren Ehemannes Vorname2 B. Nach dem frühen Tod des Herrn Vorname2 B heiratete die Erblasserin im Jahr 1953 wieder, neuer Ehemann war der ... Vorname3 X. Auch für diesen war es die zweite Ehe. Aus dieser Ehe entstammt der noch 195X geborene Beteiligte zu 1.
Die Eheleute lebten in dem Haus Straße1 in Stadt1, zusammen mit der Mutter der Erblasserin, die Eigentümerin des Hauses war. Außer dem Beteiligten zu 1 lebte dort noch der 194X geborene Vorname4 C, ein Sohn der verstorbenen ersten Ehefrau des Herrn Vorname3 X, den jene in die Ehe mit diesem mitgebracht hatte und den nun Herr Vorname3 X, der nicht dessen Vater war, als Pflegekind in die Ehe mit der Erblasserin mitbrachte. Der Beteiligte zu 2 hielt sich ebenfalls dort auf, aber auch bei seiner Patentante, einer Schwester seines verstorbenen Vaters, die selbst keine Kinder hatte. In welchem Umfang er sich dort aufhielt, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Herr Vorname4 C zog 1963 anlässlich seiner Hochzeit aus dem Haus aus.
Im Jahr 1964 übertrug die Mutter der Erblasserin dieser und deren Ehemann das Eigentum an dem Hausgrundstück. Das Haus war stark renovierungsbedürftig, die finanziellen Möglichkeiten der Eheleute jedoch begrenzt. Anfang 1966 nahm die Erblasserin, die bis dahin Hausfrau gewesen war, deshalb eine Tätigkeit in einer Druckerei auf. Im November 1966 schloss ihr Ehemann bei der Bank1 eGmbH Stadt1 einen Kreditvertrag über 20.000 DM zum Zweck "An- u. Umbau des Wohnhauses in der Straße1" (Bl. 54 f. d.A.), der in den folgenden Jahren mehrfach aufgestockt wurde. Entsprechend bauten die Eheleute das Haus aus und führten Sanierungs- und Renovierungsarbeiten durch.
Am 23. Juli 1966 hatten die Eheleute einen notariellen Ehevertrag und Erbvertrag geschlossen (UR-Nr. ... der Notarin RA1 in Stadt2; Bl. 8 f. d.Vfg.-A.). In dem Erbvertrag heißt es:
Wir setzen uns hiermit gegenseitig zu unserem Alleinerben ein, sodass der Überlebende von uns der alleinige und unbeschränkte Erbe des Vorversterbenden von uns ist.
Unsere gemeinsamen Kinder sollen Erben des Längstlebenden von uns zu gleichen Teilen sein.
Den Wert ihres Vermögens gaben die Eheleute mit 7.000 DM an.
Zu dieser Zeit waren die Erblasserin 3X und ihr Ehemann 4X Jahre alt. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Eheleute noch einen Kinderwunsch hatten oder die Familienplanung abgeschlossen war.
Im Jahr 2000 verstarb der Ehemann der Erblasserin.
Im Jahr 2004 wurde der Beteiligte zu 2 zu 1/2 Miterbe seiner Patentante, wodurch er im Ergebnis ein Haus erhielt. Die Beteiligten streiten darüber, ob bereits im Jahr 1966 klar war, dass es dazu kommen würde.
Die Beteiligten streiten im Übrigen über angebliche Äußerungen der Erblasserin und ihres Ehemannes, wer sie beerben werde. Die Erblasserin soll darüber hinaus nach dem Tod ihres Ehemannes den in der Nachbarschaft wohnenden damaligen Notar RA2 gefragt haben, ob durch den Erbvertrag sichergestellt sei, dass gemäß ihrem Wunsch und dem ihres verstorbenen Ehemannes der Beteiligte zu 1 alleiniger Schlusserbe werde.
Die Erblasserin verstarb am XX.XX.2017. Der wesentliche Vermögenswert der Erbschaft besteht in dem Haus Straße1.
Der Beteiligte zu 1 hat mit notariellem Schriftsatz vom 23.01.2018 einen Erbscheinsantrag vom 22.01.2018 (UR-Nr. .../2018 des Notars RA3 in Stadt3; Bl. 2 ff. d.A.) eingereicht, mit dem er die Alleinerbenstellung nach der Erblasserin beansprucht. Er meint, "gemeinsame Kinder", wie es in dem Erbvertrag heißt, seien gemeinsame leibliche Kinder. Da er das einzige gemeinsame leibliche Kind seiner Eltern sei, sei er Alleinerbe.
Der Beteiligte zu 2 ist dem Antrag entgegengetreten. Er meint, er und der Beteiligte zu 1 seien Erben zu je 1/2. Da die Familienplanung abgeschlossen gewesen sei, seien sie beide die "gemeinsamen Kinder" gewesen. Der Begriff habe nur zu Herrn C abgrenzen sollen, der kein Erbe habe sein sollen.
Der Beteiligte zu 1 meint, aus der Wortwahl "Kinder" lasse sich dies nicht ableiten, da die Erblasserin und ihr Ehemann noch Kinderwunsch gehabt hätten. Wenn nur er und der Beteiligte zu 2 hätten Erben sein sollen, wären sie namentlich...