Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuweisung der ehelichen Wohnung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine unbillige Härte i. S. d. § 1568a Abs. 2 S. 1 BGB liegt nicht schon dann vor, wenn in Bezug auf die noch in der Ehewohnung mit der Mutter verbliebenen Kinder die abstrakte Befürchtung einer Destabilisierung der Kinder durch einen Umzug mit der Folge des etwaigen Verlusts der sozialen Bindungen in den Bildungseinrichtungen, im Freundeskreis und bei Vereinen besteht und die Mutter während der Trennungszeit keinerlei Anstrengungen zur Suche von Ersatzwohnraum unternommen hat.
2. Begehrt der Alleineigentümer, der während der Trennungszeit die Ehewohnung dem anderen Ehegatten überlassen hat, die Überlassung der Ehewohnung für die Zeit nach der Scheidung nach § 1568a Abs. 1 BGB an sich, gilt der Maßstab von § 1568a Abs. 2 S. 1 BGB entsprechend, so dass ihm der Anspruch nur dann zu versagen ist, wenn sich der andere Ehegatte auf eine unzumutbare Härte berufen kann.
Normenkette
BGB § 1568a
Verfahrensgang
AG Darmstadt (Beschluss vom 08.03.2022; Aktenzeichen 51 F 1716/21 WH) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der angefochtene Beschluss wie folgt abgeändert:
Der Antrag der Antragstellerin, ihr die Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zuzuweisen, wird zurückgewiesen und die Absätze 2 und 3 der Ziff. 1 des Tenors entfallen.
Dem Antragsgegner wird die Wohnung in der Straße1, Stadt1, 1. Stock rechts, bestehend aus 3 Zimmern, Küche, Bad zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Die Antragstellerin wird verpflichtet, diese Wohnung bis zum 31.12.2022 zu räumen und an den Antragsgegner herauszugeben.
Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Zur Wahrnehmung ihrer Rechte wird ihr Rechtsanwalt A, Stadt2, beigeordnet.
Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Zur Wahrnehmung seiner Rechte wird ihm Rechtsanwältin C, Stadt2, beigeordnet.
Gründe
I. Die Beteiligten sind seit 24.08.2021 rechtskräftig geschiedene Eheleute, die wechselseitig die Zuweisung der ehelichen Wohnung begehren.
Aus der Ehe der Beteiligten sind drei Kinder hervorgegangen, die am XX.XX.2008 geborene B, der am XX.XX.2010 geborene D und der am XX.XX.2014 geborene E. Die Familie lebte in der im Alleineigentum des Antragsgegners stehenden 3-Zimmer-Wohnung in Stadt1. Zur Finanzierung der Eigentumswohnung zahlt der Antragsgegner auf ein Darlehen monatlich 944,35 Euro. Zudem zahlt er ein monatliches Hausgeld von 354,06 Euro. Seit August 2019 lebten die Beteiligten zunächst innerhalb der Ehewohnung getrennt. Auf Antrag der Antragstellerin wurde die Ehewohnung für die Zeit des Getrenntlebens gemäß § 1361 b BGB durch Beschluss des Amtsgerichts vom 24.07.2020 in dem Verfahren ..., auf den Bezug genommen wird, der Antragstellerin zur alleinigen Nutzung zugewiesen, weil das zum Schutz der Kinder vor einem im Wesentlichen durch den Beschwerdegegner verursachten Loyalitätskonflikt in einem schon lange anhaltenden Trennungsstreit geboten erschien. Dem Antragsgegner wurde eine Räumungsfrist bis 31.08.2020 gewährt. Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts erhobene Beschwerde nahm der Antragsgegner zurück. Seit dem Auszug des Antragsgegners bewohnt die Antragstellerin die Ehewohnung mit den Kindern alleine. Seit 26.05.2020 wird sie von einer sozialpädagogischen Familienhilfe unterstützt. Das von dem Antragsgegner unter dem Aktenzeichen ... angestrengte Sorgerechtsverfahren mit dem Ziel der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn wurde mit einer Vereinbarung über die Beantragung der sozialpädagogischen Familienhilfe beendet. In dem Verfahren ... wurde die Antragstellerin durch Beschluss vom 29.07.2021 verpflichtet, an den Antragsgegner monatlich 1.094,14 Euro Nutzungsentschädigung (820,00 Euro Kaltmiete und 274,14 Euro Nebenkosten) zu zahlen. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wurde der Beschluss vom Senat in dem Verfahren ... teilweise abgeändert. Die Nutzungsentschädigung wurde erst ab April 2021 zuerkannt, weil eine frühere Zahlungsaufforderung fehlte und ab diesem Zeitpunkt auf monatlich 774,00 Euro herabgesetzt (240,00 EUR Nebenkosten + 820,00 EUR Kaltmiete - 286,00 EUR Abschlag für die Zurverfügungstellung der Wohnung für die Kinder). Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Senats vom 13.12.2021 Bezug genommen. Die Antragstellerin bezieht Leistungen nach dem SGB II und dem UVG und übt eine geringfügige Beschäftigung aus. Sie hat bisher keine Nutzungsentschädigung an den Antragsgegner gezahlt. Der Antragsgegner hat keinen Trennungs- oder Kindesunterhalt gezahlt. Er wurde in dem Verfahren ... auf Zahlung des Mindestunterhalts für die Kinder in Anspruch genommen. Durch Beschluss vom 07.03.2022 wurde er verpflichtet, ab April 2022 mona...