Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit
Leitsatz (amtlich)
1. Die von dem Sachverständigen in dem Gutachten offenbarte unvollständge Tatsachengrundlage rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit.
2. Der Vorwurf mangelnder Sorgfalt bei der Gutachtenerstellung gibt - auch in der Gesamtschau - grundsätzlich keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit des medizinischen Sachverständigen.
Normenkette
ZPO §§ 42, 406
Verfahrensgang
LG Hanau (Beschluss vom 06.04.2021; Aktenzeichen 4 O 13/19) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung ihres Antrags, den Sachverständigen A wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
Dem Rechtsstreit liegt ein auf einen gesetzlichen Forderungsübergang gestützter vertraglicher und/oder deliktischer Schadensersatzanspruch der Klägerin als Kranken-(Pflege-)Versicherer der Versicherungsnehmerin, Frau B, zugrunde, §§ 116 Abs. 1 SGB X, 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB. Die Klägerin verlangt Zahlung der an die Versicherungsnehmerin verauslagten Behandlungs- und Pflegekosten sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung zukünftiger, auf die gegenständliche Behandlung in der von der Beklagten betriebenen Klinik zurückzuführender Schäden.
Der Versicherungsnehmerin der Klägerin wurde durch bei der Beklagten angestellte Ärzte am 9. Januar 2012 eine zementfreie Hüft-TEP links in minimal invasiver Technik implantiert. Nach Verlegung zur Rehabilitation in die Klinik1 in Stadt1 erfolgten Ende Januar 2012 und Mitte Februar jeweils stationäre und im April, Mai und Juli 2012 ambulante Aufenthalte in die Klinik der Beklagten wegen persistierender Beschwerden im linken Oberschenkel. Es schlossen sich wegen fortbestehender Beschwerden der Versicherungsnehmerin ein Aufenthalt in der Medizinischen Klinik X in Stadt2 vom 23. April bis 10. Mai 2013 und ein solcher in der Klinik der Beklagten vom 10. bis 25. Mai 2013 an, während dessen eine Lockerung der Prothesenpfanne diagnostiziert und sodann am 14. Mai 2013 ein Pfannenwechsel der Hüft-TEP vorgenommen wurde. Nach durchlaufener Rehabilitation in Stadt1 kam es Anfang November bis Mitte November 2014 zu einem stationären Aufenthalt der Versicherungsnehmerin der Klägerin in der Y-Klinik Stadt2. Es wurden u. a. ein "Low grade-Infekt" der Hüfte links mit septischer Lockerung und Zustand nach septischem Pfannenwechsel diagnostiziert und ein zweizeitiger Prothesenwechsel der linken Hüfte bei Rekonstruktion mit temporärer Spacer-Prothese durchgeführt.
Die Klägerin hat den Schadensersatzanspruch u. a. unter Bezugnahme auf ein Gutachten des MDK vom 5. Januar 2016 auf eine unzureichende Aufklärung der Versicherungsnehmerin vor der Implantation der Hüft - TEP Anfang Januar 2012 bei vorhandenem Entscheidungskonflikt gestützt. Darüber hinaus sei die Behandlung in der Klinik der Beklagten durchweg entgegen des zugrunde zu legenden Facharztstandards erfolgt, weil eine fachgerechte prä-, intra- und postoperative antibiotische Behandlung unterblieben und die Befunderhebung mit Blick auf die Thromboseprophylaxe und die Infektion der Hüftprothese und die CRP-Werte sowie den aus den Abstrichen herzuleitenden Ergebnissen (grob) fehlerhaft gewesen sei.
Die Beklagte geht demgegenüber von einer dem fachärztlichen Standard entsprechenden Behandlung aus und verweist wegen des Schadens auf "Sowieso -Kosten".
Das Landgericht hat gemäß § 358a ZPO Sachverständigenbeweis erhoben zu den Behauptungen der Klägerin und (gegenbeweislich) der Beklagten (Bl. 119 - 122 d. A.) und nach Vorschlag der LÄK Bundesland1 und im Einvernehmen der Parteien A zum Sachverständigen bestellt, der das Gutachten am 17. Dezember 2020 erstellte unter Hinweis darauf, dass ihm das Gutachten des MDK und die Originalkrankenblattunterlagen der Beklagten nicht überlassen worden seien (Bl. 142 - 177 d. A.), er sich gleichwohl zu einer Bewertung in der Lage sehe. Die Krankenblattunterlagen der Beklagten wurden ihm erst nach Gutachtenerstellung übersandt.
Innerhalb der den Parteien durch die Vorsitzende gewährten Frist zur Stellungnahme gemäß § 411 Abs. 4 ZPO hat die Klägerin den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Sachverständige habe einseitig zulasten der Klägerin das Gutachten ohne die Krankenblätter und ohne Kenntnis des Inhalts des Gutachtens des MDK und damit ohne erschöpfende Tatsachengrundlage ohne Not erstellt. Mit Blick auf das Gutachten des MDK sei die Bewertung des Sachverständigen abwertend und nicht sachbezogen. Der Facharztmaßstab sei nicht herausgearbeitet und die Bewertung sei oberflächlich bagatellisierend. Es sei nicht zu erwarten, dass sich der Sachverständige angesichts dessen einer Neubewertung gegenüber unvoreingenommen verhalten werde.
Die Beklagte sieht keinen Grund zur Besorgnis der Befangenheit de...