Entscheidungsstichwort (Thema)
Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen wegen unsachlicher Reaktion
Leitsatz (amtlich)
Die Bezeichnung der Reaktion eines Prozessbevollmächtigten als unmoralisch auf dessen sachbezogene Kritik an dem Gutachten durch den Sachverständigen begründet die Besorgnis der Befangenheit.
Normenkette
ZPO § 42 Abs. 2, § 406
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 09.06.2021; Aktenzeichen 2-04 O 267/19) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Der Antrag der Klägerin, den Sachverständigen A wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird für begründet erklärt.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung ihres Antrags, den Sachverständigen A wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
Dem Rechtsstreit liegt ein von der Klägerin geltend gemachter vertraglicher und/oder deliktischer immaterieller und im Wege der Feststellungsklage geltend gemachter materieller und künftiger immaterieller Schadensersatzanspruch gemäß §§ 611, 630a, 630c Abs. 2, 630 h Abs. 5, 280 Abs. 1, 241, 823 Abs. 1 BGB zugrunde.
Bei der Klägerin wurde durch den Beklagten als Belegarzt der B-Kliniken Stadt1 nach vorangegangener Konsultation wegen Schulterbeschwerden im Juli 2015 und nach einer radiologischen Bildgebung am Vortag am 9. November 2015 im Rahmen einer stationären Behandlung eine Eclipse-Arthrex-Kappe-Implantation auf den linken Humeruskopf durchgeführt. Wegen persistierender Schulterbeschwerden führte der Beklagte am 3. Februar 2016 eine Arthroskopie des linken Schultergelenks mit Lösung der Verklebungen und Verwachsungen durch. Weil die Klägerin auch anschließend Schmerzen in der linken Schulter verspürte, nahm sie ärztlichen Rat von C in den B-Kliniken in Anspruch, der am 24. Juni 2016 einen Wechsel von der schaftlosen Humeruskopfprothese links auf eine zementfreie inverse Schultertotalendoprothese links bei der Klägerin vornahm. Diagnostisch ging C nach den Krankenunterlagen von einer Lockerung der Humeruskopfprothese und einer Ruptur der Supraspinatussehne aus.
Die Klägerin hat den Schadensersatzanspruch unter Verweis auf zwei von ihr eingeholte privatgutachterliche Bewertungen auf eine fehlerhafte Behandlung des Beklagten gestützt. Die Implantation der Kappenprothese im November 2015 sei nicht indiziert gewesen, also nicht gemäß dem maßgeblichen Facharztstandard erfolgt, weil bei der Klägerin in dem Schultergelenk bereits eine Omarthrose vorhanden gewesen sei, was den Beklagten jedenfalls während des operativen Eingriffs hätte veranlassen müssen, eine Schaftprothese zu implantieren. So habe sich die Kappenprothese (erwartungsgemäß) gelockert. Der Beklagte habe neben der falschen diagnostischen Einschätzung die Klägerin nicht über die Behandlungsrisiken aufgeklärt und bei der Befunderhebung die (eindeutige) Bildgebung nach der MRT ignoriert oder nicht richtig interpretiert. Zudem sei die Information über die Anschlussbehandlung unzureichend gewesen. Die Klägerin hat behauptet, infolge der fehlerhaften Behandlung des Beklagten habe sie einen beträchtlichen Dauerschaden davongetragen. Die Statik des Schultergelenks sei mit der Gefahr von Folgebehandlungen in Mitleidenschaft gezogen.
Der Beklagte geht demgegenüber von einer dem fachärztlichen Standard entsprechenden Behandlung der Klägerin aus. Es habe sich keine Lockerung der Kappenprothese eingestellt. Die Implantation der Endoprothese beruhe auf der nicht vorhersehbaren Ruptur der Sehne.
Das Landgericht hat gemäß § 358a ZPO Sachverständigenbeweis erhoben zu den Behauptungen der Klägerin und im Einvernehmen mit den Parteien Herrn A zum Sachverständigen bestellt, der das Gutachten am 30. September 2020 erstellt hat. Auf die Stellungnahme der Klägerin zu dem Gutachten, in der auf die abweichende Bewertung der eingebundenen Privatgutachter in Ansehung des Gutachtens durch A hingewiesen und ausgeführt worden ist wie folgt: "...Beide Gutachter müssen nachweisen, dass das Gutachten des Herrn A, den wir durchaus als objektiven Gutachter schätzen, in dieser Form keinen Bestand haben kann...", hat die Kammer dem Sachverständigen durch weiteren Beweisbeschluss aufgegeben, das Gutachten unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme zu ergänzen, was durch den Sachverständigen unter dem 9. März 2021 erfolgt ist. In diesem Ergänzungsgutachten führt der Sachverständige A unter Beifügung eines Schriftsatzauszuges der Prozessbevollmächtigten der Klägerin einleitend aus, dass er von diesen in einigen [anderen] Verfahren als Privatgutachter eingebunden und dort als objektiv und kompetent beschrieben worden sei und sodann: "...Der Klägerseite und RA Kanzlei...muss mitgeteilt werden, dass es unmoralisch ist, dass im Falle einer nicht der gleichen Meinung mit der RA Kanzlei, erstellte GA durch den Unterzeichner auf einmal der Gutachter (der Unterzeichner) nicht gut genug ist oder der [gemeint: er] nicht spezialisiert ist oder nicht die entsprechende Kompetenz hat."
Innerhalb der...