Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Berufungsrücknahme durch einen von zwei Prozessbevollmächtigten
Leitsatz (amtlich)
1. Über die Frage der Berufungsrücknahme ist auch dann durch einen Verlustigkeits- und Kostenbeschluss nach § 516 III ZPO zu entscheiden, wenn zwischen den Parteien Streit über die Wirksamkeit der Rücknahme besteht.
2. Legen namens der unterlegenen Partei zwei Prozessbevollmächtigte unabhängig voneinander Berufung ein und nimmt einer von ihnen sodann die Berufung zurück, bewirkt dies grundsätzlich den Verlust des - einheitlich zu behandelnden - Rechtsmittels. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich aus der Erklärung deutlich ergibt, dass diese nur die von dem betreffenden Prozessbevollmächtigten abgegebene Prozesshandlung betreffen soll und dieser Prozessbevollmächtigte sich somit lediglich für seine Person aus dem Verfahren zurückziehen will (im Streitfall verneint).
Normenkette
ZPO § 516 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 27.08.2013; Aktenzeichen 16 O 275/12) |
Tenor
Die Beklagte ist des eingelegten Rechtsmittels der Berufung gegen das am 27.8.2013 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt verlustig; ihr werden die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 7.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das angefochtene Urteil ist den für die erste Instanz bestellten Prozessbevollmächtigten der Beklagten (A Rechtsanwälte) am 30.8.2013 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 27.9.2013 (Bl. 220, 226 d.A.), bei Gericht per Telefax eingegangen am selben Tage, hat sich Rechtsanwältin B als Prozessbevollmächtigte der Beklagten bezeichnet, für die Beklagte Berufung gegen das Urteil eingelegt und Akteneinsicht beantragt. Mit Schriftsatz vom 30.9.2013 (Bl. 234 d.A.), bei Gericht eingegangen am selben Tage, hat Rechtsanwalt C die "A Rechtsanwälte" ebenfalls als Prozessbevollmächtigte der Beklagten bezeichnet und namens und in Vollmacht der Beklagten Berufung gegen das Urteil mit dem Hinweis eingelegt, die Einlegung der Berufung erfolge derzeit lediglich fristwahrend.
Mit Schriftsatz vom 1.10.2013 (Bl. 237, 241 d.A.) hat Rechtsanwalt C die "A Rechtsanwälte" wiederum als Prozessbevollmächtigte der Beklagten bezeichnet und erklärt: "... nehmen wir die am 30.9.2013 fristwahrend eingelegte Berufung zurück".
Der Senatsvorsitzende hat mit Verfügungen vom 15.10.2013 (Bl. 245 d.A.) und vom 1.11.2013 (Bl. 263 d.A.) darauf hingewiesen, dass die Berufung durch den Schriftsatz des Rechtsanwalts C vom 1.10.2013 wirksam zurückgenommen worden sein könnte.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Berufung sei nicht wirksam zurückgenommen worden, und trägt vor, Rechtsanwalt C sei nach einem erkennbar vorgenommenen Anwaltswechsel zur Einlegung der Berufung nicht bevollmächtigt gewesen; sie habe ihm mitgeteilt, dass die Vollmacht nach Abschluss der ersten Instanz beendet sei. Im Übrigen habe sich die Rücknahmeerklärung von Rechtsanwalt C nur darauf bezogen, dass die von ihm eingelegte Berufung nicht weiterverfolgt werden solle.
Der Kläger hält die Berufungsrücknahme für wirksam.
II. Die Beklagte war gem. § 516 III ZPO des eingelegten Rechtsmittels der Berufung für verlustig zu erklären; gleichzeitig waren ihr die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Denn die zunächst eingelegte Berufung ist mit Schriftsatz des Rechtsanwalts C vom 1.10.2013 wirksam zurückgenommen worden.
1. Auch wenn über die Wirksamkeit einer Berufungsrücknahme Streit besteht, ist über diese Frage - soweit das Berufungsgericht die Berufungsrücknahme für wirksam hält - durch einen Verlustigkeits- und Kostenbeschluss nach § 516 III ZPO zu entscheiden. Dies hat der BGH (vgl. NJW 1995, 2229) bereits für die Regelung des § 515 III ZPO a.F. ungeachtet des Umstandes entschieden, dass nach damaliger Rechtslage (§ 515 III 3 ZPO a.F.) ein solcher Beschluss unanfechtbar war. Etwaigen Bedenken hiergegen (vgl. hierzu die Literaturnachweise in der genannten Entscheidung) ist mittlerweile die Grundlage entzogen, nachdem heute gegen einen Beschluss nach § 516 III ZPO unter den Voraussetzungen des § 574 ZPO das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben ist.
2. Legen namens der unterlegenen Partei zwei Prozessbevollmächtigte unabhängig voneinander Berufung ein und nimmt einer von ihnen "die Berufung" ohne einschränkenden Zusatz zurück, so bewirkt dies nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW 2007, 3640; juris-Tz. 25) den Verlust des - insoweit einheitlich zu behandelnden - Rechtsmittels. Diese Voraussetzungen sind auch hier erfüllt.
Die Rücknahmeerklärung im Schriftsatz des Rechtsanwalts C enthielt keine erkennbare Beschränkung dahin, dass diese Erklärung nur die von ihm abgegebene Prozesshandlung betreffen solle und er sich somit für seine Person aus dem Berufungsverfahren zurückziehen wolle (vgl. dazu BGH, a.a.O., juris-Tz. 26). Der Wortlaut der Erklärung im Schriftsatz vom 1.10.2013 bezieht sich auf das Rechtsmittel selbst ("die ... Berufung") und nicht etwa nur auf die von Rechtsanwalt C zuvor...