Entscheidungsstichwort (Thema)

Anweisung des Standesbeamten zu einer Amtshandlung. Übersendung von zwei Personenstandsurkunden. Erbscheinsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Notar ist keine Behörde, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Erteilung von Personenstandsurkunden verlangen kann, sofern er nicht ein eigenes rechtliches Interesse oder das seiner Auftragsgeber glaubhaft macht

 

Normenkette

PStG § 61 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 15.05.1986; Aktenzeichen 5 T 144/86)

AG Darmstadt (Beschluss vom 17.01.1986; Aktenzeichen 41 III 70/85)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Amtsgerichts Darmstadt vom 17.1.1986 werden aufgehoben.

Der Antrag des Beteiligten zu 1), den Standesbeamten zur Übersendung von zwei Personenstandsurkunden anzuhalten, wird zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 5.000.– DM.

 

Gründe

Der Beteiligte zu 1) ist in seiner Eigenschaft als Notar beauftragt worden, einen gemeinschaftlichen Erbschein nach … zu beantragen. Darauf hat er das Standesamt Offenbach gebeten, ihm zum Zweck der Erlangung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beglaubigte Abschriften von zwei näher bezeichneten, nicht den Namen … enthaltende Geburtsurkunden zu übersenden. Der Standesbeamte hat den Beteiligten zu 1) aufgefordert, ein rechtliches Interesse an der Übersendung der beiden Personenstandsurkunden glaubhaft zu machen. Hierzu hält sich der Beteiligte zu 1) nicht für verpflichtet, weil er „selbstverständlich selbst prüfe, ob sein Auftraggeber ein rechtliches Interesse an diesen Urkunden” habe. Er hat deshalb beantragt, den Standesbeamten anzuhalten, ihm die beiden näher bezeichneten Personenstandsurkunden zu übersenden. Das Amtsgericht hat diesem Antrag entsprochen. Die hiergegen von dem Beteiligten zu 2) als der zuständigen unteren Aufsichtsbehörde für die Standesämter erhobene sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen, weil der Beteiligte zu 1) als Notar im Rahmen seiner behördlichen Zuständigkeit die Übersendung von Personenstandsurkunden beanspruchen könne. Dem tritt der Beteiligte zu 2) mit der sofortigen weiteren Beschwerde entgegen und meint, die Beschaffung von Personenstandsurkunden in Erbscheinsverfahren gehöre nicht zur Amtstätigkeit eines Notars.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 49, 48 PStG, 27, 29 FGG) und hat auch Erfolg; das Landgericht hat die gesetzlichen Bestimmungen nicht richtig ausgelegt.

Nach § 61 Abs. 1 PStG kann eine Behörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Erteilung von Personenstandsurkunden verlangen, andere Personen nur dann, wenn sie ein rechtliches Interesse glaubhaft machen oder sich die Eintragung auf sie sowie ihre Ehegatten, Vorfahren oder Abkömmlinge bezieht. Damit konkretisiert diese Bestimmung die nach Artikel 35 Abs. 1 GG allen Behörden des Bundes und der Länder obliegende Pflicht zur Amtshilfe. § 61 Abs. 1 PStG enthält allerdings keine eigene Definition des Behördenbegriffs. Er entnimmt ihn vielmehr dem Staatsorganisationsrecht des Bundes und der Länder. Behörde im Sinne des § 61 Abs. 1 PStG ist danach jede Stelle, die durch Organisationsrecht gebildet, vom Wechsel des Amtsinhabers unabhängig und nach der einschlägigen Zuständigkeitsregelung berufen ist, unter eigenem Namen nach außen eigenständige Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen (Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 1983, Rdn. 39 zu § 1 mit weiteren Machweisen). Die Frage, ob der Notar „Behörde” ist, ist soweit ersichtlich in der Rechtsprechung noch nicht entschieden worden; die Literatur beanwortet diese Frage unterschiedlich. Nach Auffassung von Römer (Notariatsverfassung und Grundgesetz, München 1963, Seite 36, mit weiteren Nachweisen), Heyde (Die Rechtspflege in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1975, S. 95 ff.) und Seybold/Hornig (Bundesnotarordnung, 5. Aufl., München 1976, Rdnr. 9 zu § 1) ist der Notar keine Behörde, sondern unabhängiges Organ der Rechtspflege. Damit ist er Träger eines öffentlichen Amtes (§ 1 BNotO, vgl. auch BVerfG in JZ 1987, 38). Bei seiner Tätigkeit im Rahmen der ihm gesetzlich übertragenen Aufgaben ist der Notar damit funktional Landesbehörde, nach Ansicht des Senats allerdings nur in dem Sinne eines „beliehenen Unternehmers” (so Wolff-Bachof (Verwaltungsrecht II, 4. Aufl., München 1976, § 104 I b), Knack (Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 1982, S. 71) und Steiner (Öffentliche Verwaltung durch Private, Hamburg 1975, S. 50, 52, 102 f., 267, mit weiteren Nachweisen), nicht aber eine Behörde schlechthin, wie Massfeller/Hoffmann (Personenstandsgesetz, Kommentar, Rdnr. 13 zu § 61) und Peters (StAZ 1967, 251) meinen. Beide übersehen, daß das Amt des Notars nach § 47 BNotO jedenfalls in Hessen an die Person des Inhabers geknüpft ist und mit seinem Ausscheiden endet, folglich nicht unabhängig ist vom Wechsel des Amtsinhabers. Damit stimmt überein, daß auch § 29 Abs. 1 S. 3 FGG zwischen Behörde und Notar unterscheidet und dem Notar nicht alle der Behörde zugestandenen Erleichterungen einräumt.

Ein Notar wird ab...

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