Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbscheinseinziehung. Testament
Leitsatz (redaktionell)
Auslegung eines formwirksamen gemeinschaftlichen Testaments als Einzeltestament des Unterzeichners.
Normenkette
BGB §§ 2247, 2267
Verfahrensgang
LG Marburg (Beschluss vom 22.09.1995; Aktenzeichen 3 T 186/95) |
AG Frankenberg (Eder) (Aktenzeichen VI W 5/93) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Nachlaßgerichts vom 23. August 1995 werden aufgehoben.
Das Nachlaßgericht wird angewiesen, den dem Beteiligten zu 2) unter dem 13. Dezember 1994 erteilten Erbschein einzuziehen.
Das Prozeßkostenhilfegesuch des Beteiligten zu 1) vom 30. Juni/31. Oktober 1997 wird zurückgewiesen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde beträgt 5.000,– DM.
Gründe
Die Erblasserin ist am 28.4.1993 im Alter von 68 Jahren gestorben. Aus der am 7.9.1951 geschlossenen Ehe mit ihrem am 5.9.1993 im Alter von 70 Jahren ohne Hinterlassung einer Verfügung von Todes wegen nachverstorbenen Ehemann sind die beiden Söhne … – der Beteiligte zu 1) – und – der Beteiligte zu 2) – hervorgegangen. Der Erblasserin gehörten die folgenden im … Ortsteil … gelegenen Grundstücke:
- Hof- und Gebäudefläche 1,946 m² groß,
- Grünland … 7.153 m² groß,
- Ackerland …, 4.594 m² groß,
- Grünland …, 4.272 m² groß und
- Ackerland …, 2.700 m² groß.
Ihrem Ehemann gehörte ein in der Gemarkung … gelegenes Wiesengrundstück.
Nach dem Tode der Erblasserin wurde dem Nachlaßgericht von der Ehefrau des Beteiligten zu 2) ein Schriftstück übergeben, das die Erblasserin mit der Hand geschrieben, mit der Angabe ihres Wohnortes sowie mit dem Datum des 7.6.1992 versehen und allein unterschrieben. Sein Text lautet wie folgt:
„…, 7.6.92
Unser Testament!
Wir die Eheleute … und …
Haben gemeinsam beschlossen, daß unser Sohn … das Haus mit Nebengebäude Stall u. Scheune und folgende Ländereien bekommt. Feld am … … und die Wiese am … Sohn … bekommt das Feld auf dem … und die Wiese auf der … muß Ihm 5000 DM auszahlen. Ton uns hat er dann noch die Lebensversicherung wovon er ja weiß. Alles nach unserem Tote.
Gestützt auf dieses Testament beantragte der Beteiligte zu 2) unter dem 20.10.1994 einen Erbschein, der seinen Täter als Vorerben und die Beteiligten zu 1) und 2) als Nacherben ausweisen solle. Daraufhin erteilte das Nachlaßgericht unter dem 13.12.1994 dem Beteiligten zu 2) einen Erbschein des Inhalts, daß die Erblasserin von ihrem Ehemann – verstorben am 5.9.1993 – als Vorerben sowie von den Beteiligten zu 1) und 2) als Nacherben beerbt worden ist und daß die Nacherbschaft mit dem Tode des Vorerben eintritt.
Der Beteiligte zu 1) hat gegen die Erteilung des Erbscheins unter dem 19.7.1995 „Rechtsmittel” eingelegt mit dem Antrag, „den Erbschein vom 13.12.1994 aufzuheben und für unwirksam zu erklären”. Er hält das Testament vom 7.6.1992 wegen Fehlens eines anschließenden Testaments seines Vaters für insgesamt unwirksam. Die Vorinstanzen haben das Rechtsmittel als Beschwerde mit dem Ziel aufgefaßt, daß das Beschwerdegericht das Nachlaßgericht zur Einziehung des Erbscheins vom 13.12.1994 anweise. Der Nachlaßrichter hat unter dem 23.8.1995 ausgesprochen, er helfe der Beschwerde nicht ab. Das Landgericht hat die Beschwerde durch Beschluß vom 22.9.1995 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der von der Erblasserin eigenhändig geschriebene und unterzeichnete Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments sei auf dem Weg über eine Umdeutung gemäß § 140 BGB als Einzeltestament aufrechtzuerhalten, weil der in dem Testament erwähnte Grundbesitz bis auf das Wiesengrundstück … Eigentum der Erblasserin gewesen sei und weil für die Erblasserin die Überlegung im Vordergrund gestanden habe, daß das – hauptsächlich ihr gehörende – Vermögen letztlich auf die beiden Söhne habe übergehen sollen. Gegen den landgerichtlichen Beschluß richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz vom 11.10.1995 eingelegte weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1), der unter dem 30.6./31.10.1997 um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für den dritten Rechtszug nachgesucht hat. Der Beteiligte zu 2) ist der weiteren Beschwerde entgegengetreten.
Die weitere Beschwerde ist nach § 27 Abs. 1 FGG statthaft und auch sonst zulässig. Sie konnte ohne Fristbindung eingelegt werden, weil schon die mit dem Ziel der Einziehung eingelegte Beschwerde gegen die Erteilung des Erbscheins vom 13.12.1994 nicht fristgebunden gewesen ist (§ 29 Abs. 2 FGG; vgl. Keidel/Winkler FGG 13. Aufl. § 84 Rz. 4; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 7. Aufl. § 84 FGG Rz. 25). In formeller Hinsicht entspricht sie den gesetzlichen Vorschriften (§ 29 Abs. 1 FGG).
Die Berechtigung des Beteiligten zu 1) zur Einlegung der weiteren Beschwerde ergibt sich schon daraus, daß seine Erstbeschwerde zurückgewiesen worden ist (§ 29 Abs. 4 FGG i.V.m. § 20 Abs. 1 FGG; Tgl. Bassenge/Herbst aaO § 27 FGG Rz. 7).
In der Sache führt das zulässige Rechtsmittel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, weil diese auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27...