Leitsatz (amtlich)
Eine Anrechnung der vorpozessual entstandenen Geschäftsgebühr auf die dem beigeordneten Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu vergütende Verfahrensgebühr erfolgt nur, wenn die Geschäftsgebühr vom Mandanten tatsächlich bezahlt worden ist.
Normenkette
RVG §§ 15a, 49, 55 Abs. 5 S. 2; RVG-VV Nrn. 2300, 3100; RVG-VV Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Wetzlar (Beschluss vom 25.08.2011) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers vom 28.6.2011 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Wetzlar vom 1.6.2011 dahingehend abgeändert, dass die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf den beantragten Betrag von 981,75 EUR festgesetzt wird.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer ist dem Antragsgegner im Rahmen der diesem gegen Ratenzahlung bewilligten Verfahrenskostenhilfe mit Beschluss des AG vom 14.1.2011 in der dort anhängigen, mittlerweile durch gerichtlichen Vergleich vom 12.5.2011 erledigten Unterhaltssache beigeordnet worden. Der Beschwerdeführer hatte den Antragsgegner wegen der von der Antragstellerin erhobenen Unterhaltsforderungen bereits in dem vorprozessual gewechselten Schriftverkehr vertreten. Die hierfür fällige Geschäftsgebühr ist vom Antragsgegner bislang nicht bezahlt worden, was der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Festsetzung der ihm aus der Staatskasse zu ersetzenden Vergütung vom 16.5.2011 auch so angegeben hat. Dennoch hat die insoweit als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle handelnde Rechtspflegerin des AG die im Übrigen zutreffend beantragte Vergütung mit dem Festsetzungsbeschluss vom 1.6.2011 lediglich in Höhe eines um 243,75 EUR zzgl. Umsatzsteuer gekürzten Betrags, also i.H.v. 691,69 EUR statt der beantragten 981,75 EUR, festgesetzt. Zur Begründung hat sie unter Berufung auf die diesbezügliche Rechtsprechung des 18. Zivilsenats des Beschwerdegerichts ausgeführt, auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV i.V.m. § 49 RVG sei gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV die für das vorgerichtliche Tätigwerden des Beschwerdeführers angefallene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV i.V.m. § 13 RVG zur Hälfte anzurechnen. Die Anrechnung sei vorzunehmen, sobald die Geschäftsgebühr entstanden sei, unabhängig davon, ob sie gerichtlich geltend gemacht oder bezahlt oder tituliert worden sei.
Gegen den ihm am 15.6.2011 zugestellten Festsetzungsbeschluss hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 28.6.2011, beim AG eingegangen am 29.6.2011, Erinnerung eingelegt, mit welcher er eine antragsgemäße Festsetzung seiner Vergütung ohne die vorgenommene Kürzung begehrt. Nach Einholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors und Nichtabhilfe durch die Rechtspflegerin hat der Richter des AG die Erinnerung mit dem angefochtenen Beschluss vom 25.8.2011 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er unter Berufung auf die diesbezügliche Rechtsprechung des 18. Zivilsenats des Beschwerdegerichts und die noch vor In-Kraft-Treten des § 15a RVG ergangene Rechtsprechung des 8. Zivilsenats des BGH ausgeführt, die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV i.V.m. § 49 RVG sei wegen der nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV vorzunehmenden Anrechnung von vornherein nur in der um die halbe Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV i.V.m. § 13 RVG gekürzten Höhe entstanden. Die Anrechnungsvorschrift des § 15a Abs. 2 RVG finde im Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und der Staatskasse keine Anwendung, weil die Staatskasse nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift sei.
Gegen den ihm am 31.8.2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 5.9.2011 eingegangene sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers, mit welcher dieser sein Erinnerungsbegehren weiter verfolgt. Er trägt vor, aus § 55 Abs. 5 Satz 2 RVG ergebe sich, dass eine Anrechnung der vorprozessual entstandenen halben Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur dann erfolgt, wenn die Geschäftsgebühr bezahlt worden ist. Auch in diesem Fall sei sie aber jedenfalls im Falle der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gegen Ratenzahlung zunächst auf die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung nach § 13 RVG und der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts nach § 49 RVG anzurechnen.
Der Richter des AG hat der Beschwerde unter Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Der Einzelrichter des Senats hat die Sache mit Beschluss vom 7.2.2012 wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat zur Entscheidung übertragen.
Dem Bezirksrevisor ist im Beschwerdeverfahren rechtliches Gehör gewährt worden. Er verteidigt die Rechtsprechung des 18. Zivilsenats des Beschwerdegerichts.
II. Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 und Abs. 7 Satz 3 RVG zulässig als Beschwerde gegen den die Erinnerung zurückweisenden Beschluss des AG vom 25.8.2011. Soweit die Formulierung "wir" im Rahmen der Beschwerdeeinlegung auf eine Beschwerdeeinlegung aller Sozien der Kanzlei des beigeordneten Rechtsanwalt...