Leitsatz (amtlich)
1. Das unbefugte Herausreißen gentechnisch veränderter Pflanzen in einem genehmigten Feldversuch kann begründeter Anlass für Unterbindungsgewahrsam nach dem HSOG sein.
2. Die Polizei ist verpflichtet, unverzüglich nach dem Festhalten der Person eine gerichtliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeizuführen, sofern eine zeitnahe Entlassung nicht beabsichtigt ist.
3. Ist zur Tagzeit kein Richter erreichbar und besteht auch kein Bereitschaftsdienst, so ist der weitere Unterbindungsgewahrsam bis zur Zuführung des Betroffenen zum Richter auch dann rechtswidrig, wenn das Gericht am Tag nach der Festnahme die Fortdauer des Unterbindungsgewahrsams zu Recht anordnet.
4. Die Frage, ob die Polizei ein selbständiges Rechtsmittel gegen die auf die Beschwerde des Betroffenen ergangene Fortsetzungsfeststellungsentscheidung des LG hat, bleibt offen.
Normenkette
HSOG §§ 32-33, 35
Verfahrensgang
LG Gießen (Aktenzeichen 7 T 242/06) |
Gründe
I. Es geht um die Rechtmäßigkeit eines Unterbindungsgewahrsams nach dem HSOG. Der Betroffene war angetroffen worden, wie er zusammen mit anderen in einem Versuchsfeld der Universität mit genveränderter Gerste Pflanzen zerstörte. Das AG hat durch Beschluss vom 3.6.2006 nach richterlicher Anhörung des Betroffenen um 14.30 Uhr am nämlichen Tag die Ingewahrsamnahme des Betroffenen durch die Polizei am 2.6.2006 um 15.20 Uhr für zulässig erklärt und gleichzeitig antragsgemäß die Fortdauer der Freiheitsentziehung bis längstens 6.6.2006 um 09.00 Uhr mit sofortiger Wirksamkeit angeordnet (Bl. 76/77 d.A.). Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das LG unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen durch Beschluss vom 24.8.2006 (Bl. 146 ff. d.A.) den amtsgerichtlichen Beschluss teilweise abgeändert und festgestellt, dass die Freiheitsentziehung des Betroffenen in der Zeit vom 2.6.2006, 15.20 Uhr bis zum Erlass des Beschlusses am 3.6.2006 rechtswidrig war. Dieser Beschluss ist laut jeweiligem Empfangsbekenntnis dem Antragsteller am 29.8.2006 und dem Betroffenen am 30.8.2006 zugegangen.
Der Betroffene hat gegen den Beschluss eine am 8.9.2006 eingegangene sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Der Betroffene rügt fehlerhafte Rechtsanwendung und mangelnde Sachaufklärung durch das LG.
Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluss, soweit die Beschwerde zurückgewiesen worden ist. Der Antragsteller beantragt weiter, die Zulässigkeit der Freiheitsentziehung auch für die Zeit vom 2.6.2006, 15.20 Uhr bis zum Erlass des Beschlusses des AG vom 3.6.2006 festzustellen. Er habe sich vergeblich bemüht, einen Richter zu erreichen. Er habe dies auch mit dem in den Akten befindlichen Vermerk vom 2.6.2006 hinreichend dokumentiert und damit seiner Dokumentationspflicht genügt. Die Annahme, dass das Scheitern einer Vorführung aufgrund Unerreichbarkeit des zuständigen Richters automatisch zur Rechtswidrigkeit einer Freiheitsentziehung führe, sei unzutreffend.
Der Betroffene tritt der Anschlussbeschwerde des Antragstellers entgegen. Er führt u.a. aus, dass die Pfingstaktion der Gegner des Freilandversuchs der Universität lange vor dem 2.6.2006 angekündigt worden sei. Der Antragsteller habe deshalb im Voraus dafür Sorge tragen können, dass beim AG ein entsprechender Bereitschaftsdienst vorhanden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftliche Vorbringen der Beteiligten nebst den beigefügten Anlagen verwiesen.
II. Wenn eine Person - wie hier - aufgrund des § 32 I Nr. 2 HSOG festgehalten wird, richtet sich das gerichtliche Verfahren gem. § 33 II HSOG nach den Vorschriften des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (FEVG), das wiederum auf die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit verweist (§ 3 Satz 2 FEVG). Danach ist die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen zulässig (§§ 6 II, 7 II FEVG, 27 FGG), insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 29, 22 FGG). Die Maßnahme hat sich zwar durch Zeitablauf erledigt, gleichwohl ist das Begehren des Betroffenen, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme zu erreichen, schutzwürdig, da der Betroffene im Hinblick auf den Eingriff in das Grundrecht der Freiheit der Person auch nach Erledigung der Maßnahme ein Rehabilitierungsinteresse hat (BVerfE 104, 220 ff. = - NJW 2002, 2456 ff.). Eröffnet ist für die Fortsetzungsfeststellung in den Fällen, in denen eine richterliche Anordnung vorliegt, nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der nach dem FEVG vorgesehene Rechtsweg zu den Zivilgerichten (KG, Beschl. v. 22.3.2002 - 25 W 218/01, Jurisdok. Abs. 9 m.w.N. = KGReport Berlin 2003, 174 ff.; Hess. VGH, NJW 1984, 821 ff.; vgl. auch OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 1993. 185 ff.; Meixner/Fredrich, 10. Aufl., HSOG, § 33 Rz. 8), wobei es für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf diese Frage wegen der Bindungswirkung des § 17a I, V GVG nicht mehr ankommt.
Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht innerhalb der Beschwerdefr...