Leitsatz (amtlich)
1. Entscheidet der Richter, dass eine Person, der durch die Polizeibehörde bereits die Freiheit entzogen wurde, weiter nach § 32 Abs. 1 HSOG in Gewahrsam zu verbleiben hat, so erstreckt sich die richterliche Entscheidung sowohl auf die Rechtmäßigkeit der bisherigen Freiheitsentziehung durch die Polizeibehörde als auch über die Erforderlichkeit der Fortdauer der Freiheitsentziehung.
2. Endet die polizeiliche Ingewahrsamnahme ohne dass es zu einer weiteren Anordnung des AG hinsichtlich der Fortdauer gekommen ist, so bleibt für die Prüfung, ob die polizeiliche Ingewahrsamnahme rechtswidrig war, bei der Zuständigkeit der VG.
3. Der Richter hat selbst die tatsächlichen Feststellungen zu treffen, die eine Ingewahrsamnahme rechtfertigen. Dazu gehört auch die persönliche Anhörung des Betroffenen.
Normenkette
HSOG §§ 32-33
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-29 T 237/06) |
Gründe
Der Betroffene wurde von der Polizei am 17.10.2006 gegen 05.45 Uhr vorläufig festgenommen. Nach Aktenlage hat die Polizei dem AG am gleichen Tag um 9.48 Uhr eine Niederschrift über die Ingewahrsamnahme per Fax übersandt. In der Niederschrift ist von den formularmäßig vorgegebenen Möglichkeiten als Grund der Ingewahrsamnahme angekreuzt worden, dass die Ingewahrsamnahme zum Schutz der Person gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich sei, weil sich die Person in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand befunden habe. Außerdem ist angekreuzt worden, dass sie unerlässlich gewesen sei, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit mit erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Als Sachverhalt ist der Niederschrift sinngemäß zu entnehmen, dass zum Festnahmezeitpunkt zwei Streifenwagen und insgesamt drei Polizeibeamte und eine Polizeibeamtin in die A-Str. entsandt worden sind, weil dort angeblich mehrere Jugendliche randalierten. Im Bereich B-Str./A-Str. seien vier alkoholisierte Jugendliche angetroffen worden, darunter auch der Betroffene. Dieser habe bei der anschließenden Personenkontrolle jegliche polizeiliche Weisung ignoriert, sei uneinsichtig gewesen und habe sich äußerst aggressiv ggü. den eingesetzten Beamten verhalten. Daraufhin sei er festgenommen und zum X. Polizeirevier verbracht worden, wo er ausgenüchtert worden sei. Die polizeiliche Niederschrift enthielt den weiteren Vermerk, dass die Anhörung zur Ingewahrsamnahme nicht möglich gewesen sei "weil: Starke Trunkenheit". Das Verfügungsformular des Richters enthält den Vermerk, die Anhörung sei wegen der Trunkenheit des Betroffenen nicht möglich gewesen und daran anschließend den Beschluss, dass die Freiheitsentziehung gem. § 33 Abs. 2 HSOG mit sofortiger Wirksamkeit angeordnet werde. Der Betroffene sei um 12.00 Uhr zu entlassen.
Gegen den am 22.11.2006 ausgefertigten, dem Betroffenen nach seinem Bekunden am 24.11.2006 zugestellten Beschluss des AG hat dieser mit einem am 5.12.2007 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, die Ingewahrsamnahme des Betroffenen durch die Polizeibehörde sei unzulässig.
Der Betroffene hat gerügt, es habe weder Volltrunkenheit vorgelegen, noch habe die Gefahr der Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit mit erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit bestanden. Er habe keine Ordnungswidrigkeiten begangen, die ein Einschreiten der Polizei erforderlich gemacht hätten. Er habe keine polizeilichen Weisungen ignoriert und sich auch nicht uneinsichtig oder aggressiv verhalten. Er habe die beteiligten Beamten mehrfach gebeten, über sein Handy seine Eltern anrufen zu dürfen, was ihm verweigert worden sei. Seine Eltern hätten ihn abgeholt, womit weitere Maßnahmen entbehrlich gewesen seien. Außerdem habe das AG seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Der Antragsteller hat in der Beschwerdeinstanz auf landgerichtliche Anforderung sein Vorbringen durch Übersendung eines von einem an der Festnahme beteiligten Polizeibeamten gefertigten Vermerks vom 12.2.2007 ergänzt. Daraus ergibt sich, dass ein Zeuge beim Polizeirevier angerufen hatte. Dieser hat angegeben, dass eine Jugendgruppe randalierend durch die A-Str. zöge. Die Jugendlichen hätten mehrfach gegen aufgestellte Zeitungsständer eines Kiosk getreten und uriniert. Zum Verhalten während der Kontrolle wird ausgeführt, der Betroffene habe sich während der Kontrolle genauso uneinsichtig und aggressiv wie die anderen drei Personen verhalten. Er habe die Beamten angepöbelt und ständig mit seinem Vater, der Rechtsanwalt sei, geprahlt. Er habe die Anweisungen der Beamten ignoriert und diese ins Lächerliche gezogen. Eine ordnungsgemäße Personalienfeststellung sei somit vor Ort nicht möglich gewesen. Aufgrund der Trunkenheit und des aggressiven Verhaltens auf dem Revier habe die Gefahr weiterer rechtswidriger Taten bestanden, so dass eine Ausnüchterung angeordnet worden sei. Während der Ausnüchterung sei dem Betroffenen das Handy abgenom...