Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-03 O 214/20)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16. Juni 2020, Az. 2-03 O 214/20, wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je 1/4.

Der Streitwert für die Beschwerde wird auf 40.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragsteller, Mitglieder einer bekannten Großfamilie, begehren von der Antragsgegnerin Unterlassung der Veröffentlichung von Lichtbildern, die sie dabei zeigen, wie sie den Sarg ihrer verstorbenen Mutter aus einem Auto ausladen und über eine Strecke von 5 Metern in eine Moschee tragen. Die Bilder stammen aus einem Video, das die Antragsgegnerin am 24. April 2020 zusammen mit einem Beitrag unter der Überschrift "Mutter von Issa R. starb am Donnerstag - Sarg der Clan-Mutter zur Waschung getragen" auf ihrer Homepage veröffentlichte. Die Antragsteller haben aus den bewegten Bildern sie jeweils einzeln zeigende Ausschnitte herausgelöst, hinsichtlich deren Verbreitung sie Unterlassung begehren.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung zurückgewiesen, es handele sich um Bildnisse der Zeitgeschichte. Die Berichterstattung thematisiere einerseits den Tod der jedenfalls in Berlin bekannten Mutter der Antragsteller und andererseits den mit größerem Polizeiaufgebot durchgeführten Sargtransport. Die Antragsgegnerin habe zudem bereits vorgerichtlich vorgetragen, dass bereits vor dem Tod der Mutter vor dem Krankenhaus ein Großaufgebot der Polizei notwendig gewesen sei und hierüber umfassend berichtet worden sei. Es sei hierbei zu "chaotischen Szenen" mit Verfolgungsjagden der Polizei gekommen. Die Antragsgegnerin spreche in der angegriffenen Berichterstattung die Umstände bei der Durchführung von muslimischen Bestattungen während der Corona Pandemie allgemein und auch konkret im hiesigen Fall an. Auch hieran bestehe ein allgemeines Interesse. Insoweit stelle die Berichterstattung auch einen Beitrag zur öffentlichen Debatte der Trauerverarbeitung und der Durchführung von Bestattungen während der Corona-Pandemie dar. Die Antragsgegnerin erörtere diese Fragen auch ernsthaft und sachbezogen und bediene damit ein Informationsinteresse der Allgemeinheit. Die Antragsteller würden auch nicht in einer ungünstigen oder unvorteilhaften Position gezeigt.

Die Kammer habe in die Abwägung auch eingestellt, dass grundsätzlich die Hinterbliebenen in ihrer Trauerverarbeitung ungestört bleiben sollen. So sollten insbesondere Abbildungen während der Trauerfeier oder der eigentlichen Bestattung von der Privatsphäre umfasst sein. Auch das Tragen des Sargs der Mutter könne grundsätzlich der Privatsphäre zuzurechnen sein. Insoweit sei jedoch auch zu berücksichtigen, dass die Antragsteller gerade nicht bei der Trauerfeier oder der Bestattung selbst gezeigt würden, sondern vielmehr nur beim Tragen des Sarges. Dieser Vorgang sei von einer Vielzahl von Personen begleitet worden, so dass sich die Antragsteller auch insoweit in der Öffentlichkeit befunden hätten. Aus den Bildnissen sei erkennbar, dass auch die Polizei anwesend gewesen sei. Die Antragsteller würden insoweit auch nicht weinend o.ä. und damit in besonders exponierter Situation gezeigt.

Dagegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer sofortigen Beschwerde.

Sie machen geltend, bei dem Video gehe es nicht um die Durchführung der Waschung oder Bestattung, sondern um den Transport des Sarges der am 23. April 2020 verstorbenen Mutter der Antragsteller zur Aufbewahrung in der Moschee. Die Beerdigung sei am 27. April 2020 erfolgt.

Einer Veröffentlichung der Bildnisse der Antragsteller stünden jedenfalls "berechtigte Interessen" im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG entgegen. Eine solche Abwägung habe das Landgericht nicht vorgenommen.

Eine Verletzung der berechtigten Interessen der Abgebildeten ergebe sich hier aus einer Verletzung ihrer Intim- und Privatsphäre sowie der Methode und den Umständen der Informationsgewinnung. Die Trauerverarbeitung gehöre bei der völkerrechtlich gebotenen thematischen Betrachtung zur innersten Gedanken- und Gefühlswelt und damit zur absolut geschützten Intimsphäre. Es gebe kaum etwas Höchstpersönlicheres als die Trauer eines Menschen um seine eigene Mutter, zumal wenn diese wie hier erst wenige Stunden zuvor gestorben sei und sie von den Söhnen nach einer schlaflosen Nacht am Totenbett in die Moschee verbracht werde. Dies sei der klassische Anwendungsfall für einen absoluten Schutz. Eine Abwägung finde bei Eingriffen in die Intimsphäre nicht statt, da diese unantastbar sei.

Unerheblich sei der Umstand, dass der Transport des Sarges in die Moschee zwangsläufig ein kurzes Stück auf öffentlichem Straßenraum habe erfolgen müssen. da der EGMR eine thematische Betrachtung des Persönlichkeitsschutzes vorschreibe.

Zu demselben Ergebnis komme man, wenn man lediglich von einem Eingriff in die Privatsphäre ausgehe, denn die Eingriffsintensität sei vorliegend als maximal h...

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