Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Verfügung im Falle der Doppelvermietung
Leitsatz (amtlich)
Im Falle der Doppelvermietung kann jeder Mieter zur Sicherung seines Anspruchs gegen den Vermieter auf Gewährung des Gebrauchs an dem Mietobjekt eine einstweilige Verfügung gerichtet auf Unterlassung der Besitzverschaffung an einen Dritten erwirken. Hierdurch werden weder die Privatautonomie des Vermieters noch die schuldrechtlichen Rechte des anderen Mieters verletzt. Die Regelung für den Doppelkauf ist hingegen nicht anwendbar. Die Rechtslage duldet außerhalb des Insolvenzverfahrens den Wettbewerb der Gläubiger.
Normenkette
BGB §§ 135-136, 535 Abs. 1; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Beschluss vom 11.11.2021; Aktenzeichen 12 O 57/21) |
Tenor
Der Beschluss des Senats vom 17.12.2021 wird aufgehoben.
Der Beschluss des Landgerichts Wiesbaden vom 11.11.2021 (Az. 12 O 57/21) wird abgeändert.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, bis zur formell rechtskräftigen (§ 705 ZPO) Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen der Antragsgegnerin vom 22.9.2021 und vom 2.11.2021 des Mietvertrages vom 29.3.2018 über Immobilie und Hotelflächen im Objekt Straße1, Stadt1, diese Hotelflächen Dritten zur Nutzung zu überlassen.
Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung wird davon abhängig gemacht, dass die Antragstellerin eine Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,- EUR erbringt.
Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die genannte Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,- EUR angedroht und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Antragsgegnerin Herrn A und Herrn B.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu tragen mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Frankfurt a.M. verursachten Kosten; diese hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Streitwert für das einstweilige Verfügungsverfahren wird auf 500.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin schloss mit der C Holding GmbH, der 100 %igen Muttergesellschaft der Antragstellerin, unter dem 29.3.2018 einen Mietvertrag über das Objekt Straße1 in Stadt1, auf welchem die Antragsgegnerin ein Gebäude mit Tiefgarage und Außenstellplätzen zur Nutzung als Hotel errichten soll. Nach vollständiger Errichtung der Hotelflächen sollen diese an die Mieterin übergeben werden, die sodann die Hotelflächen nach ihrem "(...)" Konzept betreiben will. Der Mietvertrag regelt die näheren Einzelheiten des von der Antragsgegnerin zu errichtenden Mietobjekts hinsichtlich Lage, Größe und baulicher Ausführung. Das Hotel soll über mindestens 154 Zimmer mit einer jeweiligen Mindestfläche von 15,50 m2 verfügen. Die Bauausführung ist ausdrücklich auf das Design und die Vorgaben der Mieterin auszurichten. Das Mietverhältnis soll mit der Übergabe des Mietobjekts an die Mieterin beginnen und 25 Jahre dauern mit einer einmaligen Verlängerungsoption für die Mieterin für weitere fünf Jahre. In § 1 Ziffer 1.2 des ersten Nachtrags vom 3./8.4.2019 zum Mietvertrag vereinbarten die Vertragsparteien in Abweichung von der zunächst getroffenen Vereinbarung ein Übergabefenster zwischen dem 1.2.2021 und dem 31.12.2021. Den Ablauf der Arbeiten müssen die Vertragsparteien im Hinblick auf die Erstausstattung und Einrichtung des Hotels mit dem D durch die Mieterin abstimmen. Gemäß § 2 Ziffer 2.2 des Mietvertrages hat die Antragsgegnerin den konkreten Gesamtübergabetermin spätestens sechs Monate vor Übergabe verbindlich bekanntzugeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Mietvertrages vom 29.3.2018 wird auf die bei der Akte befindliche Kopie (Blatt 26 ff. der Akte) Bezug genommen. Mit Nachtrag Nr. 3 vom 18./19.5.2020 zum Mietvertrag vereinbarten die Vertragsparteien sowie die Antragstellerin die Übernahme des Mietvertrages durch diese als neue Mieterin.
Die C Holding GmbH lehnte gegenüber der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 17.6.2021 (Blatt 127 f. der Akte) die Abgabe der erbetenen Patronatserklärung mit der Begründung ab, die entsprechende Regelung in § 5 Ziffer 5.2 des Mietvertrages gehe ins Leere und sei mithin ein rechtliches Nullum, da sie als Patronin den Mietvertrag selbst unterzeichnet habe; der Nachtrag Nr. 3 enthalte insoweit keine neue Regelung.
Die Antragsgegnerin erklärte mit Schreiben vom 22.9.2021 (Blatt 165 ff. der Akte) gegenüber der C Holding GmbH vorsorglich die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses, da diese ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht eingehalten habe, insbesondere habe die Mieterin trotz Fälligkeit und erfolgter Abmahnung die vertraglich vereinbarten Mietsicherheiten gemäß Ziffer 5.1 und 5.2 des Mietvertrages (Bankbürgschaft oder Barkaution sowie Patronatserklärung) nicht gestellt und die Zustimmung zur Abtretung der Mietzinsforderungen an die finanzierende Bank gemäß Ziffer 4.7 (richtig: 4.6) des Mietvertrages nicht erklärt. Die Kündigung soll...