Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwiderhandlung gegen das FahrPersG, die FahrPersVO
Verfahrensgang
AG Kassel (Urteil vom 10.03.1999; Aktenzeichen 680 Js 63842.8/98 370 OWi) |
Tenor
Das Urteil wird bezüglich des Falles 4 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen – an das Amtsgericht Kassel zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet verworfen.
Gründe
Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen vorsätzlicher Anordnung oder wegen vorsätzlichen Nichtunterbindens von Lenkzeitüberschreitungen in acht Fällen, begangen zwischen dem 04.05.1998 und dem 10.06.1998, zu Geldbußen von 3.000,– DM, 600,– DM, 100,– DM, 2.300,– DM, 1.900,– DM, 2.700,– DM, 600,– DM und 300,– DM. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und ebenso begründete Rechtsbeschwerde, die auf die Verurteilung in den Fällen 4 und 5 beschränkt ist und mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§§ 79 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 OWiG, 341 ff. StPO). Sie ist hinsichtlich der Verurteilung wegen des Falles 4 zu einer Geldbuße von 2.300,– DM auch begründet. Insoweit war das Urteil auf die Sachrüge hin aufzuheben. Aus den Feststellungen zu diesem Fall ergibt sich nicht hinreichend, ob die im einzelnen festgestellte Überschreitung der nach Art. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr zulässigen Lenkzeit um 23 Stunden in vollem Umfange der Verurteilung zugrundegelegt werden durfte. Ausweislich der Urteilsfeststellungen wurde die Fahrt im Ausland beendet; nähere Angaben hierzu fehlen. Danach ist nicht ausgeschlossen, daß die Fahrt in einem Staat endete, der weder ein EG-Staat ist, in dem die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 gilt, noch ein Mitgliedsstaat des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), z.B. die Schweiz oder Ungarn.
Da in einem solchen Land keine Lenkzeitbeschränkung existiert, kann die in diesem Landgefahrene Zeit der Bemessung der Geldbuße nicht zugrundegelegt werden, unabhängig davon, daß auf die Fahrt grundsätzlich die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 oder des AETR anwendbar wären, nicht allein die jeweiligen nationalen Vorschriften (vgl. EuGH, Urteil vom 02.06.1994 [Rs. C-313/92]). Insoweit verhält es sich anders als in den Fällen, in denen die Fahrt im Ausland begonnen und in der Bundesrepublik Deutschland beendet wurde. Hier sind die Lenkzeiten vor der Einreise aus dem Ausland bei der Fortsetzung der Fahrt in der Bundesrepublik Deutschland anzurechnen, da sich der in einem Drittland geschaffene Tatbestand im Gebiet der Geltung des Ordnungswidrigkeitengesetzes auswirkt (vgl. BGHSt 34, 101, 103f.; BayObLG, VRS 58, 465, 466 f.; OLG Düsseldorf, VRS 67, 390, 392 f.; OLG Karlsruhe, VRS 67, 475, 477).
Sollte die Fahrt hingegen in einem EU-Staat oder in einem Mitgliedsstaat des AETR geendet haben, so sind auch die in diesem und ggf. in einem sonstigen Staat angefallenen Lenkzeiten bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen. Denn in diesem Fall liegt in dem Land entweder ein Verstoß gegen die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 oder ein Verstoß gegen das AETR vor. Insoweit wäre es auch im Ergebnis unerheblich, welche der Regelungen anwendbar wäre, da die Bestimmungen über die Lenk- und Ruhezeiten in den beiden Regelungswerken seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Zweiten und Dritten Änderung des AETR vom 18.08.1997 (BGBl. II 1550), verkündet am 25.08.1997, kongruent sind. Einer Berücksichtigung dieser Zeiten stünde nicht das Territorialprinzip des § 5 OWiG entgegen. Denn der Begehungsort der Ordnungswidrigkeit liegt jedenfalls in der Bundesrepublik Deutschland, da sie teilweise hier begangen worden ist, gleichgültig wo die Tat begonnen oder vollendet worden ist (vgl. Göhler, OWiG, 12. Aufl. 1998, § 7, Rdnr. 4).
Da die Feststellungen des Amtsgerichts unvollständig sind, ist dem Rechtsbeschwerdegericht eine Nachprüfung des Urteils auf Rechtsfehler hin nicht hinreichend möglich.
Die Sache war insoweit an das Amtsgericht Kassel zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 6 OWiG). Hierbei sind der Zeitpunkt des Grenzübertritts und das Land, in dem die Fahrt fortgesetzt wurde, mitzuteilen.
Im übrigen war die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO).
Fundstellen