Normenkette
BGB § 885 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Kassel (Aktenzeichen 7 O 2170/02) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer – Einzelrichter – des LG Kassel vom 15.10.2002, durch den Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt worden ist, wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 64.000 Euro zu tragen.
Gründe
Die von der Verfügungsklägerin eingelegte Beschwerde ist als sofortige Beschwerde (§ 567 ZPO) statthaft und auch sonst zulässig.
Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg, da das LG in dem angefochtenen Beschluss den für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund – nämlich ein eiliges Sicherungsbedürfnis für den geltend gemachten Grundstücks-Rückübertragungsanspruch – zu Recht verneint hat.
Allerdings ist nach § 885 Abs. 1 S. 2 BGB der Erlass einer auf Eintragung einer Grundbuchvormerkung gerichteten einstweiligen Verfügung nicht davon abhängig, dass eine Gefährdung des zu sichernden Anspruches glaubhaft gemacht wird. Das heißt aber nicht, dass eine Gefährdung nicht erforderlich ist, sondern nur, dass der Beweis der Gefährdung – durch Glaubhaftmachung – nicht notwendig ist. Die Gefährdung wird also zwar grundsätzlich vermutet, jedoch darf ein Gegenbeweis geführt werden (vgl. dazu ausführlich OLG Düsseldorf v. 10.12.1999 – 22 U 170/99, NJW-RR 2000, 825, m.w.N.; jetzt auch – unter Aufgabe seiner früher anders lautenden Meinung – Bassenge/Palandt, BGB, 61. Aufl., § 858 Rz. 5) bzw. kann die mangelnde Gefährdung aus unstreitigen Tatsachen hergeleitet werden.
So hat das OLG Düsseldorf in einem Fall, in dem der Verfügungskläger – dort ein Bauunternehmer – auf Eintragung einer Bauhandwerkerhypothek im Wege der einstweiligen Verfügung angetragen hatte, aus unstreitigen Tatsachen, vor allem aus dem Umstand, dass zwischen der Geltendmachung der Restwerklohnforderung des Unternehmers durch Schlussrechnung i.H.v. 61.825 DM und dem Eingang des Antrages auf einstweilige Verfügung 9 Monate lagen, in einer auch vom erk. Senat für richtig erachteten Weise geschlossen, dass eine Gefährdung des Restwerklohnanspruches durch Verfügung über das betroffene Grundstück nicht bestehe, zumal besondere Umstände, die nach so langer Zeit eine Eilbedürftigkeit, die die Belastung des Grundstückes aufgrund nur summarischer Prüfung im einstweiligen Verfügungsverfahren rechtfertigen würde, weder ersichtlich noch vorgetragen seien.
Der vorliegende Sachverhalt liegt ähnlich. Hier hat die Verfügungsklägerin vorgetragen, sie sei unter Ausnutzung einer durch den Tod ihres Ehegatten bedingten vorübergehenden Trübung ihrer Urteilskraft und Schwächung ihres Willens durch die verfügungsbeklagte Tochter zum Abschluss eines notariellen Übergabevertrages bewegt worden. Dieser Vertrag wurde am 3.4.2001 beurkundet; seit dem 3.4.2001 hat die Verfügungsklägerin mehr als eineinhalb Jahre zugewartet, bis sie die streitgegenständliche einstweilige Verfügung beantragte (Eingang des Antrages: 15.10.2002). Es vergingen auch fast 6 Monate zwischen ihrem Schreiben vom 23.4.2002, in dem sie nach anwaltlicher Beratung u.a. ihre Willenserklärung angefochten hat, welche zu dem Vertrag führte, und dem Eingang der einstweiligen Verfügung.
Diese langen, unstreitigen Zeitabläufe widerlegen die grundsätzlich bestehende Vermutung für die Gefährdung der Rechte der Verfügungsklägerin und für die Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzes durch eine einstweilige Verfügung. Dies umso mehr, als letztlich auch die Verfügungsklägerin, wie sich aus ihrem Brief vom 23.4.2002 ebenfalls ergibt, die Verfügungsbeklagte durchaus an den Vermögenswerten der Familie beteiligen will (und bezüglich des Pflichtteilsanspruches der Verfügungsbeklagten nach ihrem Vater auch muss).
Ist danach die Vermutung der Gefährdung der Rechte der Verfügungsklägerin auf Rückübertragung des Grundstückes im vorliegenden Einzelfall widerlegt, so sind andererseits auch keine besonderen Umstände ersichtlich oder vorgetragen, die nunmehr ein Sicherungsbedürfnis der Verfügungsklägerin wieder aufleben lassen (etwa Veräußerungs- oder Auswanderungsabsichten der Verfügungsbeklagten).
Nach alledem kann die Verfügungsklägerin vorliegend nicht den Eilweg der einstweiligen Verfügung beschreiten, sondern muss sich auf das normale Prozessverfahren verweisen lassen.
Da es schon am Verfügungsgrund fehlt, kann die Frage, ob ein Verfügungsanspruch besteht, offen bleiben.
Die Verfügungsklägerin hat, da sie mit ihrem Rechtsmittel unterliegt, dessen Kosten gem. § 97 ZPO zu tragen. Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergibt sich aus § 3 ZPO.
Dr. Ritter
Fundstellen
Haufe-Index 1105273 |
OLGR Frankfurt 2003, 145 |