Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge
Leitsatz (amtlich)
Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt eine tragfähige, soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Sie erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen und hat sich am Kindeswohl auszurichten. Es ist nach der Verfassung nicht geboten, der gemeinsamen Sorge ggü. der alleinigen einen Vorrang einzuräumen.
Normenkette
BGB § 1671
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 402 F 2115/05) |
Gründe
Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss die elterliche Sorge für A auf die Antragstellerin übertragen.
Hiergegen hat der Antragsgegner befristete Beschwerde eingelegt. Er beantragt, den angefochtenen Beschluss bezüglich der Übertragung des alleinigen Sorgerechts aufzuheben.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt (§§ 621e Abs. 1 und 3, 517 ZPO).
In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Es ist zu erwarten, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und Übertragung der alleinigen Sorge auf die Antragstellerin dem Wohl von A am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt eine tragfähige, soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Sie erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen und hat sich am Kindeswohl auszurichten (BVerfG FamRZ 2004, 354, 355). Es ist nach der Verfassung nicht geboten, der gemeinsamen Sorge ggü. der alleinigen einen Vorrang einzuräumen. Eine solche Auffassung lässt sich aus dem Wortlaut und dem Gesetzeszweck des § 1671 BGB nicht ableiten (BVerfG, a.a.O.; BGH FamRZ 1999, 1646, 1647). Es kann nicht vermutet werden, dass die gemeinsame Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel für das Kind die beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung ist (vgl. auch ständige Rechtsprechung des OLG Frankfurt; u.a. Beschluss vom 10.1.2005, 3 UF 194/04, Beschluss vom 20.4.2004, 3 UF 72/04; Beschluss vom 28.11.2006, 3 UF 238/06).
Eine solche tragfähige und für die realistische Ausübung gemeinsamer elterlicher Sorge erforderliche Basis ist hier nicht ersichtlich. Aus dem wechselseitigen Parteivortrag und insbesondere aus den Schriftsätzen des Beschwerdeführers folgt, dass die Beziehung zwischen den beiden Elternteilen in einer Weise zerrüttet ist, die auch das für streitige Sorgerechtsverfahren übliche Maß erheblich übersteigt. Der Kindesvater, vertreten durch seinen Verfahrensbevollmächtigten, beschuldigt die Kindesmutter in ehrverletzender und ausufender Weise. Dabei rügt der Antragsgegner immer wieder die Verletzung seiner eigenen Grundrechte, setzt sich aber im Rahmen seiner Schriftsätze in Form und Inhalt über die Grundrechte aller anderen Verfahrensbeteiligten und deren gleichfalls in der Verfassung geschützten Persönlichkeitsrechte hinweg. So lässt er u.a. auf S. 2 seines Schriftsatzes vom 9.2.2005 (Blatt 73d. Akten) folgendes vortragen: "Mit aller Deutlichkeit darf daher festgestellt werden, dass hier eine persönliche Problematik (psychische Überspanntheit bis Überforderung) zutage tritt, die zum Himmel stinkt, es sei denn man hält sich die Nase zu und sieht bei Seite, während Frau B offensichtlich der Betreuung bedarf." Bei einer solchen Form der Kommunikation ist eine zweckmäßige Kooperation der Kindeseltern nicht denkbar.
Unter diesen Umständen ist nur die Ausübung der elterlichen Sorge durch eines der beiden Elternteile denkbar. Im vorliegenden Fall kommt lediglich die Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter in Betracht. Das ergibt sich aus dem Grundsatz, dass die elterliche Sorge grundsätzlich von demjenigen Elternteil auszuüben ist, bei dem die Kontinuität der Betreuung am besten sichergestellt werden kann und zu dem das Kind die stärkeren Bindungen aufweist. A lebt seit der Trennung ihrer Eltern im Juli 2003, d.h. seit mehr als 3 ½ Jahren, bei ihrer Mutter. Seit ca. Ende des Jahres 2004 besteht kein Kontakt mehr zwischen Vater und Kind. Schon aus diesen äußeren Daten folgt, dass die Übertragung der Sorge auf den Antragsgegner zur Zeit nicht in Betracht kommt. Es ist inzwischen eine so langjährige Entfremdung zwischen Vater und Tochter eingetreten, die allenfalls äußerst behutsam über betreute Umgangskontakte nicht aber über eine Sorgerechtsentscheidung zugunsten des Vaters abgebaut werden könnte.
Für die Ausübung der elterlichen Sorge durch die Kindesmutter spricht auch die erste Stellungnahme des Antragsgegners, die dieser ggü. dem Jugendamt gemacht hat, bevor die Beziehung der Eltern durch den Missbrauchsverdacht belastet war (vgl. Blatt 16d. Akten). Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch keine Bedenken bezüglich der alleinigen Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts durch die Kindesmutter geäußert. Er hatte zudem die Kindesmutter als verantwortlich handelnd für A dargestellt.
Ebenso schildern das Jugendamt und die Verfahrenspflegeri...