Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltszwang für Beschwerdeeinlegung
Leitsatz (amtlich)
Für die Einlegung der Beschwerde gegen eine im Verbundverfahren getroffene Entscheidung zum Versorgungsausgleich herrscht Anwaltszwang.
Normenkette
FamFG § 114 Abs. 1-2, § 64 Abs. 2; ZPO § 78 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Kirchhain (Beschluss vom 21.09.2015; Aktenzeichen 36 F 653/14 S) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Kirchhain vom 21.9.2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21.1.2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert des Beschwerdegegenstandes von 1.500,00 EUR werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 21.9.2015 hat das AG - Familiengericht - Kirchhain die Ehe der beteiligten Eheleute geschieden und im Verbund den Versorgungsausgleich durchgeführt, indem es die Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung intern geteilt und hinsichtlich des weiteren Anrechts des Antragstellers bei der Beteiligten zu 4.) wegen Geringfügigkeit von einem Ausgleich abgesehen hat.
Gegen den ihr am 9.10.2015 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 18.10.2015 Beschwerde eingelegt, mit welcher sie sich gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich wendet und vorträgt, dass sie und der Antragsteller lediglich die Scheidung ihrer Ehe gewollt hätten.
Die Senatsvorsitzende hat die Antragsgegnerin mit Verfügung vom 27.2.2016 darauf hingewiesen, dass die Beschwerde nach der ständigen Rechtsprechung des Senates wegen des geltenden Anwaltszwangs unzulässig sei, woran die anderslautende Rechtsbehelfsbelehrung im amtsgerichtlichen Beschluss nichts ändere. Da die Antragsgegnerin jedoch insoweit nicht richtig informiert gewesen sei, bestehe die Möglichkeit, binnen einer Nachfrist von zwei Wochen durch einen von ihr zu beauftragenden Rechtsanwalt wirksam Beschwerde einzulegen; andernfalls müsse ihr unzulässiges Rechtsmittel verworfen werden.
Eine Reaktion der Antragsgegnerin auf die ihr am 01.03.2016 zugestellte Verfügung ist nicht erfolgt.
II. Die Beschwerde ist mangels Postulationsfähigkeit der Antragsgegnerin unzulässig und demzufolge gemäß § 68 Abs. 2 S. 2 FamFG zu verwerfen.
Der Senat tritt in der obergerichtlich streitigen Rechtsfrage, ob für die Beschwerde gegen die Regelung in einer Folgesache der freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwaltszwang herrscht, den Auffassungen u.a. der Oberlandesgerichte Bremen (FamRZ 2014, 596 f.) und Saarbrücken (FamRZ 2014, 2018 f.; a. A: OLG Frankfurt a.M., FamRZ 2014, 681) bei.
Der Anwaltszwang ist in § 114 FamFG geregelt. Nach dessen Absatz 1 müssen sich die Ehegatten in Ehesachen und Folgesachen vor dem Familiengericht und dem Oberlandesgericht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Zu den Folgesachen gehören gemäß § 137 Abs. 2 Nr. 1 FamFG insbesondere die Versorgungsausgleichssachen. Gemäß § 137 Abs. 5 S. 1 FamFG bleiben die in § 137 Abs. 2 FamFG genannten Folgesachen auch im Falle ihrer Abtrennung weiterhin Folgesachen. Daher muss der für Ehesachen und Folgesachen geltende Anwaltszwang erst Recht bestehen bleiben, wenn eine Folgesache von einem Ehegatten durch isolierte Anfechtung aus dem Scheidungsverbund gelöst wird. Beschwerden eines Ehegatten gegen die in einem Verbundbeschluss enthaltenen Entscheidungen über Folgesachen, auch soweit diese dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit angehören, müssen somit von einem Rechtsanwalt eingelegt werden.
Auch aus der Regelung des § 114 Abs. 4 FamFG, der Ausnahmen von dem im ersten Absatz der Norm geregelten Anwaltszwang nennt, ergibt sich nach Auffassung des Senats nicht, dass die Beschwerdeeinlegung gegen Versorgungsausgleichsregelungen vom Rechtsanwaltszwang ausgenommen ist. Zwar bestimmt § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG, dass der Anwaltszwang nicht in den Fällen des § 78 Abs. 3 ZPO und somit nicht für Prozesshandlungen gilt, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, was gemäß § 64 Abs. 2 S. 1 FamFG grundsätzlich für die Einlegung der Beschwerde in Familiensachen zutrifft. Allerdings macht § 64 Abs. 2 S. 2 FamFG für Ehesachen und Familienstreitsachen hiervon eine Ausnahme. In beiden Fällen ist die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ausgeschlossen. Aus dem Wortlaut der Regelung in § 64 Abs. 2 S. 2 FamFG geht zwar nicht eindeutig hervor, ob vom Anwaltszwang somit auch die Folgesache "Versorgungsausgleich" erfasst ist, wenn gegen ihre Regelung in einem Scheidungsbeschluss isoliert Beschwerde eingelegt wird. Der Senat teilt allerdings die u.a. vom OLG Rostock (FamRZ 2011, 57) vertretene Auffassung, dass § 64 Abs. 2 S. 2 FamFG über seinen unmittelbaren Wortlaut hinaus nicht nur in Ehe- und Familienstreitsachen, sondern auch in Folgesachen im Sinne des § 137 Abs. 2 FamFG gilt. Auch in der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass die Nichtnennung von Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit in § 64 Abs. 2 S. 2 FamFG ein Redaktion...