Leitsatz (amtlich)
Vergütungsanspruch des Ergänzungspflegers vor Verpflichtung
Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Beschluss vom 27.01.2017; Aktenzeichen 539 F 175/16) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse auferlegt.
Der Beschwerdewert wird auf 37,97 Euro festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die Höhe des dem Ergänzungspfleger zustehenden Vergütungsanspruchs für Tätigkeiten nach Erlass des Auswahlbeschlusses, aber vor der Verpflichtung.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt vom 28.08.2015 zu Az. ... EASO wurde Rechtsanwalt A für den Wirkungskreis ausländer- und asylrechtliche Betreuung des Betroffenen zum Ergänzungspfleger und im Übrigen das Jugendamt der Stadt B zum Pfleger bestellt. Der Beschluss erging im Wege der einstweiligen Anordnung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung und ohne vorherige Anhörung der Beteiligten.
Am 28.08.2015 schrieb das Amtsgericht an den Ergänzungspfleger, dass die Verpflichtung erforderlich ist und bat um Vereinbarung eines Termins zur Verpflichtung in den auf das Schreiben folgenden 3 Wochen.
Am 24.09.2015 erschien der Ergänzungspfleger bei Gericht und es erfolgte die Verpflichtung zu treuer und gewissenhafter Führung des Amtes.
Mit Antrag vom 17.11.2016 beantragte der Ergänzungspfleger, seine Kosten und Auslagen auf insgesamt 424,18 Euro festzusetzen. Dabei setzte er insgesamt 68 Minuten an für den Posteingang des Schreibens des Amtsgerichts vom 28.08.2015, die Anlage einer neuen Akte sowie die Vorsprache wegen der Verpflichtung am 24.09.2015 an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Antrag vom 17.11.2016, Bl. 58 ff., Bezug genommen.
Unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH vom 02.03.2016 zu Az. XII ZB 196/13 wendete sich der Bezirksrevisor gegen den Ansatz einer Vergütung des Ergänzungspflegers vor der Verpflichtung am 24.09.2015.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Vergütung des Ergänzungspflegers wie beantragt festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, dass die hier konkret aufgeführten Tätigkeiten stets vor der Verpflichtung anfallen und auch entgegen der Argumentation des Bezirksrevisors nicht vom Stundensatz der späteren Tätigkeit mitumfasst sind. Es könne dem Pfleger nicht zugemutet werden, Tätigkeiten, die stets anfallen, ohne Vergütung auszuführen.
Die Beschwerde wurde zugelassen.
Mit der Beschwerde möchte der Bezirksrevisor erreichen, dass die Tätigkeiten des Ergänzungspflegers vor der Verpflichtung nicht vergütet werden.
II. Die Beschwerde ist statthaft, §§ 168 Abs. 1, Abs. 5, 58 ff. FamFG, § 11 Abs. 1 RPflG, und form- und fristgerecht eingelegt, §§ 63, 64 FamFG. Eine Abhilfebefugnis des Amtsgerichts bestand nach § 68 Abs. 1 S. 2 FamFG entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht.
Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Dem steht der Betrag von lediglich 37,97 Euro, um den die Vergütung aus Sicht der Beschwerdeführerin zu kürzen ist, nicht entgegen, weil das Amtsgericht die Beschwerde gemäß § 61 Abs. 1 FamFG zugelassen hat.
In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat dem Ergänzungspfleger zu Recht eine Vergütung auch für den vor der förmlichen Bestellung liegenden Zeitaufwand von 68 Minuten betreffend die Entgegennahme des Beschlusses, das Anlegen der Handakte und das Erscheinen zum Verpflichtungstermin zugesprochen. Denn diese Tätigkeiten fallen zwingend vor dem förmlichen Bestallungsakt an und sind auch nicht von dem Stundensatz für die spätere Tätigkeit mitumfasst.
Die Vergütung des berufsmäßigen anwaltlichen Ergänzungspflegers richtet sich nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 VBVG ist der "für die Führung der Vormundschaft", aufgrund der Verweisung "für die Führung der Pflegschaft", aufgewandte Zeitaufwand zu vergüten.
Der Beschwerdeführerin ist darin Recht zu geben, dass im Grundsatz für das Entstehen eines Aufwendungsersatz- und Vergütungsanspruchs eine förmliche Bestellung des Ergänzungspflegers nach §§ 1915, 1789 BGB erforderlich ist (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2012, 1890; OLG Karlsruhe OLGR 2002, 232).
Aber auch Tätigkeiten, die denknotwendig mit der Amtsführung verbunden sind und zwingend vor der Verpflichtung anfallen, zeitlich aber vor der förmlichen Bestellung liegen, sind zu vergüten.
Derartige zwingend anfallende Tätigkeiten vor dem Bestellungsakt im Zusammenhang mit der eigentlichen Amtsführung sind jedenfalls die Anlegung einer Handakte, die Entgegennahme des Auswahlbeschlusses und die Fahrt zum sowie die Anwesenheit beim Bestellungstermin.
Von der konstitutiven Wirkung der wirksamen Bestellung für das Entstehen eines Anspruchs auf Vergütung aus der Staatskasse wird dadurch nicht abgerückt. Denn eine solchermaßen klar umrissene, auf einige wenige regulär auftretende Annexhandlungen beschränkte Erweiterung der Vergütungsfähigkeit weicht ...