Entscheidungsstichwort (Thema)
Kanadische Zustellung eines Scheidungsantrags per WhatsApp nicht mit § 109 Abs. 1 Satz 2 FamFG vereinbar
Leitsatz (amtlich)
Die nach kanadischem Recht mögliche Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke als pdf-Anhang einer WhatsApp-Nachricht erfüllt nicht die Wirksamkeitsvoraussetzungen nach Art. 5 Abs. 1 des im Verhältnis zwischen Deutschland und Kanada anwendbaren Haager Übereinkommens über die Zustellung von Schriftstücken im Ausland (HZÜ). Die Frage, ob die in Art. 10 lit. a) HZÜ vorgesehene Zustellungsform per Post auch eine Zustellung per WhatsApp umfasst, kann dahinstehen, weil Deutschland bei Ratifizierung des Vertrags insoweit von seinem ihm eingeräumten Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht hat, diese Norm bei Zustellungen ins Inland also gerade nicht zur Anwendung gelangt. Damit scheitert eine Anerkennung eines auf die fehlerhafte Zustellung ergangenen kanadischen Scheidungsurteils an dem Anerkennungshindernis des § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG.
Für die Bejahung der Anerkennungsfähigkeit des kanadischen Scheidungsurteils reicht es auch nicht aus, dass der Antragsgegnerin infolge der noch rechtzeitig erfolgten Mitteilung der Antragsschrift eine Rechtswahrnehmung in Kanada möglich gewesen wäre, der Zustellungsfehler dafür also ohne Bedeutung war. Denn die Anerkennung erfordert zwingend nicht nur eine rechtzeitige, sondern auch eine ordnungsgemäße Zustellung (vgl. BGH FamRZ 2019, 996; OLG Stuttgart FamRZ 2017, 1518; OLG Bremen FamRZ 2013, 808).
Schließlich kann der Antragsgegnerin die Berufung auf das Anerkennungshindernis des § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG auch nicht deshalb verwehrt werden, weil sie einen nach der kanadischen Verfahrensordnung möglicherweise zulässigen Rechtsbehelf gegen das Scheidungsurteil nicht eingelegt oder weil sie inzwischen selbst in Deutschland ein Scheidungsverfahren eingeleitet hat (vgl. BGH FamRZ 2019, 996).
Normenkette
FamFG §§ 107, 109 Abs. 1 Nr. 2; HZÜ Art. 10; ZPO § 328 Abs. 1 Nr. 2
Tenor
Der Antrag des Antragstellers vom ... .2021 auf Anerkennung des Scheidungsurteils des Superior Court (Family Division) des District of ... in Kanada vom ... .2020 zu Az. ... wird zurückgewiesen.
Die für diese Entscheidung zu erhebende Gebühr wird auf 305 EUR festgesetzt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens vor dem Senat zu tragen.
Der Wert des Verfahrens vor dem Senat wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten, sie Deutsche, er kanadischer Staatsangehöriger, schlossen am ... .2012 vor dem Standesamt der Stadt ... in der kanadischen Provinz ... unter Reg.-Nr. ... die Ehe. Aus der Ehe gingen 2013 und 2015 zwei gemeinsame Kinder hervor. Der letzte gemeinsame Aufenthaltsort der Eheleute war ... in Kanada, ihre Trennung erfolgte am ... 2018. Die Antragsgegnerin kehrte anschließend nach Deutschland zurück. Für ein weiteres durch die Antragsgegnerin geborenes Kind liegt eine Erklärung nach § 1599 Abs. 2 BGB über das Nichtbestehen der Vaterschaft des Antragstellers vor.
Der Antragsteller behauptet, er habe vor dem zuständigen kanadischen Gericht, dem Superior Court (Family Division) des District of ..., im November 2019 die Ehescheidung beantragt. Die Zustellung des Scheidungsantrags an die Antragsgegnerin sei mit Genehmigung des zuständigen kanadischen Gerichts ("with permission oft the clerk") über seine kanadische Bevollmächtigte am ... .2019 über den Nachrichtendienst WhatsApp erfolgt. Die Antragsgegnerin habe darauf zwar geantwortet, sich aber nicht zur Sache eingelassen. Die Scheidung sei dann am ... .2020 ausgesprochen worden, die Entscheidung seit dem .... .2020 rechtskräftig.
Die Antragsgegnerin leitete unter dem ... .2019 ihrerseits ein Scheidungsverfahren bei dem für ihren jetzigen Wohnort zuständigen Amtsgericht - Familiengericht - ... ein. Auf den Inhalt der beigezogenen und auszugsweise kopierten Akte des zu Az. ... geführten familiengerichtlichen Verfahrens (Bl. ... d. A.), das im Hinblick auf das hiesige Anerkennungsverfahren mit Beschluss vom ... .2021 ausgesetzt wurde, wird verwiesen.
Mit Formularantrag vom ... .2021 beantragte der Antragsteller bei dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main die Anerkennung des Scheidungsurteils des Superior Courts des District of ... in Kanada vom ... .2018 vom ... .2020 zu Az. ... . Der Präsident des Oberlandesgerichts stellte mit Beschluss vom ... .2021 fest, die Anerkennungsvoraussetzungen seien gegeben und setzte die zu erhebende Gebühr für das Verwaltungsverfahren auf 305 EUR fest.
Gegen die ihr formlos übersandte Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit am .... beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom .... mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Sie führt zur Begründung aus, sie sei über die absprachewidrig erfolgte Einleitung des Scheidungsverfahrens in Kanada arglistig getäuscht worden. Es liege auch ein Anerkenntnishindernis iSd. § 109 FamFG vor, weil ihr ein Scheidungsantrag in deutscher Sprache nicht bekanntgegeben worden sei. Di...