Leitsatz (amtlich)
Haben Ehegatten über einen längeren Zeitraum (hier ein Drittel der Ehezeit) getrennt gelebt, kann die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs allein deshalb grob unbillig sein (§ 27 VersAusglG), sofern in der Trennungszeit eine wirtschaftliche Verselbstständigung eingetreten ist und keine ehebedingte Bedürfnislage eintritt.
Werden die getrennt lebenden Ehegatten allerdings noch über 7 Jahre nach ihrer Trennung gemeinsam zur Einkommenssteuer veranlagt, liegt in dieser Zeitspanne noch keine wirtschaftliche Verselbstständigung vor. Der Versorgungsausgleich ist dann nach den gesetzlichen Bestimmungen durchzuführen.
Normenkette
VersAusglG § 27
Verfahrensgang
AG Groß-Gerau (Aktenzeichen 77 F 177/19) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Von der Erhebung von Gerichtskosten und von der Anordnung eines Ausgleichs außergerichtlich angefallener Kosten wird abgesehen.
Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird festgesetzt auf 1.000 EUR.
Gründe
I. Mit dem angefochtenen Beschluss schied das Familiengericht auf den am ... .2019 zugestellten Scheidungsantrag die am ... .1983 geschlossene Ehe der beteiligten früheren Eheleute und führte den Versorgungsausgleich durch. Bei der Ermittlung der Ausgleichswerte richtete sich das Familiengericht nach dem Inhalt der von der Deutschen Rentenversicherung ... und der Deutschen Rentenversicherung ... als jeweils einzigen Versorgungsträgern der Eheleute eingeholten Auskünfte, auf die Bezug genommen wird. Auf das Begehren der Antragsgegnerin, nach § 27 VersAusglG einen Teilausschluss des Versorgungsausgleichs anzuordnen, ging das Gericht in seiner Entscheidung, auf deren weiteren Inhalt verwiesen wird, nicht ein.
Mit ihrer am ... .2021 beim Amtsgericht eingegangene Beschwerde gegen den ihrer Bevollmächtigten am ... .2021 zugestellten Beschluss beantragt die Antragsgegnerin eine Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich dahingehend, dass ein Versorgungsausgleich nicht durchgeführt wird. Sie trägt zur Begründung sinngemäß vor, ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs sei nach § 27 VersAusglG geboten, weil sie ehezeitlich ganz überwiegend alleine den Lebensunterhalt der Familie finanziert habe und die Eheleute sich bereits im März 2008 getrennt hätten. Ihr sei der Aufbau einer eigenen zureichenden Altersvorsorge zudem nicht mehr möglich.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Beschwerde und beantragt ihre Zurückweisung, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht zur erneuten Entscheidung. Die Trennungszeit mache nur 29,15 % der Ehezeit aus, ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs sei deshalb nicht gerechtfertigt. Die Antragsgegnerin habe wegen ihrer Alkoholerkrankung in der Ehezeit zweimal ihre Anstellung verloren und sich danach selbstständig gemacht. Der Antragsteller sei ihr Angestellter gewesen und habe durch seine Tätigkeit alleine den Lebensunterhalt der früheren Eheleute finanziert. Sie habe aber auch dieses Unternehmen durch ihre Alkoholsucht ruiniert, so dass der Antragsteller anschließend keine weitere Altersvorsorge mehr habe betreiben können. Bei der Trennung habe die Antragsgegnerin einen für die gemeinsame Altersvorsorge bestimmten "erheblichen Betrag" für sich vereinnahmt. Die Antragsgegnerin habe zudem 2009 und erneut 2016 den jeweiligen Scheidungswunsch des seit 2008 mit einer anderen Frau zusammenlebenden Antragstellers abgelehnt.
Ergänzend wird Bezug auf den Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung und der von den Beteiligten in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze genommen.
Der Senat hat die Beteiligten mit Beschluss vom 07.07.2021 darauf hingewiesen, dass der Versorgungsausgleich für den Zeitraum vom ... .2009 bis zum Ehezeitende ... .2019 auszuschließen sein dürfte und auf diesen Zeitraum bezogene Auskünfte der beiden Versorgungsträger eingeholt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Auf weiteren Hinweis des Senatsberichterstatters vom ... .2021 haben die beteiligten früheren Eheleute übereinstimmend mitgeteilt, dass sie bis zum Steuerjahr 2016 einschließlich gemeinsam steuerlich veranlagt wurden.
II. Die nach §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt in der Sache auch im Lichte des Beschwerdevorbringens ohne Erfolg. Die familiengerichtliche Entscheidung zum Versorgungsausgleich begegnet jedenfalls im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere ist der Versorgungsausgleich entgegen der vom Senat noch mit Beschluss vom 07.07.2021 vertretenen Auffassung nicht nur begrenzt auf die bis zum ... .2019 erworbenen Anwartschaften der früheren Eheleute durchzuführen.
Nach § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich nur dann ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre, was nur dann der Fall ist, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es - anders als hier - rechtfertigen, von der Halbteilung der während der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte abzuweichen.
Die Vorschrift ist zum 1.9.2009 an die Stelle des § 1587c BGB a.F. ge...