Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Berechnung des Ehezeitanteils eines Anrechts der Beamtenversorgung eines (hessischen) kommunalen Wahlbeamten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Wahlbeamter nach dem Ende der Ehezeit wiedergewählt oder ohne Unterbrechung in ein anderes Amt desselben Dienstherrn mit der Folge ernannt, dass sich dadurch seine ruhegehaltsfähige Dienstzeit verlängert und sich das Zeit-Zeit-Verhältnis des § 40 Abs. 2 Satz 3 VersAusglG verändert, wirkt sich dies rückwirkend auf die Höhe des Ehezeitanteils des Anrechts der Beamtenversorgung aus und ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG in einem späteren Abänderungsverfahren zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, ob die Wiederwahl oder die Ernennung in ein anderes Amts desselben Dienstherrn am Ende der Ehezeit vorhersehbar waren (im Anschluss an BGH, FamRZ 1992, 46; FamRZ 1995, 604; entgegen OLG Stuttgart, FamRZ 2017, 795).

2. Eine zwischenzeitliche geschäftsführende Ausübung des Wahlamtes nach § 41 HGO steht der Annahme eines ununterbrochenen Beamtenverhältnisses im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 HBeamtVG dabei nicht entgegen. Eine vorübergehende Versetzung in den Ruhestand ist mit der geschäftsführenden Ausübung des Wahlamts nicht verbunden.

3. Das Familiengericht ist bei der Ermittlung des Ausgleichswerts an die bestandskräftige Festsetzung des Ruhegehaltssatzes und der auf die ruhegehaltsfähige Dienstzeit anzurechnenden Zeiten durch die die Versorgung gewährende Behörde gebunden, und zwar auch dann, wenn sich angerechnete Kann-Zeiten nicht auf die Höhe der Versorgung auswirken. Etwaige hiermit für den ausgleichsberechtigten Ehegatten verbundene unbillige Härten sind über § 27 VersAusglG zu korrigieren.

 

Normenkette

HBeamtVG §§ 10-12, 17; HGO § 41 S. 2; VersAusglG §§ 5, 40-41, 44, 51

 

Verfahrensgang

AG W. (Aktenzeichen 620 F 996/15)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 10.04.2019; Aktenzeichen XII ZB 284/18)

 

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Verfahrenswert wird für den zweiten Rechtszug festgesetzt auf 3.162,- Euro.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über den Versorgungsausgleich.

Die am 2.12.1980 geschlossene Ehe des am 15.8.1951 geborenen Antragstellers und der am 12.6.1951 geborenen Antragsgegnerin wurde auf den am 23.12.1991 zugestellten Scheidungsantrag hin durch Urteil des Amtsgerichts W. vom 24.9.1992, rechtskräftig seit 10.11.1992, geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde im Urteil dahingehend geregelt, dass vom Konto des Antragstellers in der gesetzlichen Rentenversicherung auf das Konto der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege des Rentensplittings ein Anrecht in Höhe von 22,60 DM, bezogen auf den 30.11.1991, übertragen wird. Des Weiteren wurde im Wege des Quasi-Splittings zu Lasten des Anrechts des Antragstellers aus der Beamtenversorgung der Stadt W. auf dem Konto der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung ein Anrecht in Höhe von 889,08 DM, bezogen auf den 30.11.1991, begründet. Hinsichtlich eines weiteren volldynamischen Ausgleichswerts der Beamtenversorgung des Antragstellers in Höhe von 542,74 DM, bezogen auf den 30.11.1991, wurde die Antragsgegnerin wegen des Überschreitens der Höchstgrenze des § 1587b Abs. 5 BGB a.F. auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen.

Der Antragsteller war im Zeitpunkt der Ehescheidung seit 1.9.1981 als Stadtkämmerer kommunaler Wahlbeamter der Stadt W.; er bezog eine Besoldung nach der Besoldungsgruppe B3. Die Amtszeit endete am 31.8.1993; eine Wiederwahl war im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils vom 24.9.1992 nicht absehbar. Vor der Ernennung zum Stadtkämmerer war der Antragsteller nach Abschluss seines Studiums der Rechtswissenschaften und Ableistung des Referendariats vom 1.7.1979 bis zum 31.8.1981 als Angestellter des Landes Hessen beschäftigt. Dem vom Amtsgericht im Urteil vom 24.9.1992 angeordneten Versorgungsausgleich lag eine Auskunft der Stadt W. vom 25.5.1992 zu Grunde, in welcher der Ehezeitanteil des Anrechts des Antragsgegners zeitratierlich ermittelt wurde, wobei als Ende der Gesamtzeit nicht das Erreichen der Altersgrenze, sondern der Ablauf der aktuellen Wahlperiode am 31.8.1993 berücksichtigt wurde. Wegen der Einzelheiten, insbesondere wegen der Berechnung der dem Versorgungsausgleich zu Grunde gelegten ruhegehaltsfähigen Dienstzeit, wird auf die Auskunft vom 25.5.1992 Bezug genommen.

Auf Grund Beschlusses des Magistrats der Stadt W. vom 16.8.1993 führte der Antragsteller die Amtsgeschäfte als Stadtkämmerer bis zur Neuwahl eines Nachfolgers auch über den 31.8.1993 hinaus weiter, und zwar bis zum 20.10.1993. Zum 21.10.1993 wurde der Antragsteller nach erfolgreicher Wahl erneut in das Beamtenverhältnis auf Zeit als Stadtkämmerer berufen. Aus diesem Amt schied er mit seiner Direktwahl zum Oberbürgermeister der Stadt W. am 27.11.1993 aus. Das nach der Besoldungsgruppe B6 besoldete Amt des Oberbürgermeisters übte er in Folge zweier erfolgreicher Wiederwahlen anschließ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge