Entscheidungsstichwort (Thema)

Wertbemessung im Stufenverfahren

 

Verfahrensgang

AG Darmstadt (Beschluss vom 16.12.2021; Aktenzeichen 55 F 2030/20 RI)

 

Tenor

Unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird der Verfahrenswert festgesetzt auf 10.000,00 Euro.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten stritten bis zur Rücknahme des Antrags der Antragstellerin über Auskunft und Leistung aus einem Lebensversicherungsvertrag. Die Antragstellerin hatte behauptet, einen Anspruch auf Leistung aus einer vom Antragsgegner zu ihren Gunsten abgeschlossenen Lebensversicherung zu haben. Nachdem die Versicherung mitgeteilt habe, dass der Vertrag gekündigt und der Rückkaufswert ausgezahlt worden sei, werde der Antragsgegner in Anspruch genommen. Die Antragstellerin hatte im Stufenverfahren beantragt, den Antragsgegner zur Auskunft zu verurteilen, welcher Betrag von der Versicherung ausgezahlt wurde, und nach erteilter Auskunft und gegebenenfalls eidesstattlicher Versicherung der Richtigkeit der Auskunft diesen Betrag an die Antragstellerin zu zahlen. In der Antragsschrift hatte die Antragstellerin mitgeteilt, davon auszugehen, dass die an den Antragsgegner ausgezahlte Versicherungsleistung 10.000,00 Euro überschritten hat.

Mit der Antragstellerin am 23. Dezember 2021 zugestelltem Beschluss vom 16. Dezember 2021 setzte das Amtsgericht den Verfahrenswert auf 46.016,28 Euro fest. Da die Antragstellerin Auskunft darüber begehre, in welcher Höhe die Versicherung Beiträge erstattet habe, sei der Verfahrenswert auf der Grundlage geleisteter Beiträge fiktiv für die ursprünglich anvisierte Laufzeit bis in das Jahr 2021 zu bemessen, wobei der maximale Einzahlungsbetrag nach im einzelnen dargestellter Berechnung den genannten Wert ergebe.

Mit am 28. Dezember 2021 eingegangener Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, dass der Wert auf 5.001,00 Euro festgesetzt werden müsse. Die Berechnung sei schon deshalb unrichtig, weil der Rückkaufswert ausgezahlt worden sei. Von Beitragszahlungen könne im Übrigen nur für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum ausgegangen werden. Im Übrigen sei auch für diesen Zeitraum nicht bekannt, ob Beiträge eingezahlt worden seien. Nach den Versicherungsbedingungen betrage der Rückkaufswert bei Einstellung der Beitragsleistung nach acht Jahren 7.867,16 Euro.

Mit Beschluss vom 29. Dezember 2021 half das Amtsgericht teilweise ab. Die Antragstellerin sei in der Antragsschrift nur von einer Beitragszahlung bis zum 1. März 2011 ausgegangen, so dass sich der Wert entsprechend auf 28.121,05 Euro reduziere.

Die Antragstellerin verfolgt auch nach Teilabhilfe ihre Beschwerde weiter und weist erneut darauf hin, dass die Einzahlungen in der Höhe nicht dem Rückkaufswert entsprechen.

II. Die gemäß § 59 Abs. 1 FamGKG zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

Bei einem Stufenantrag wird neben dem Auskunftsanspruch auch der unbezifferte Zahlungsanspruch rechtshängig, wobei für den Verfahrenswert allein der höhere Anspruch maßgebend ist (vgl. OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 17.4.2018 - 5 WF 65/18, BeckRS 2018, 5839 Rn. 11, beck-online; OLG München Beschl. v. 6.7.2021 - 2 WF 689/21, BeckRS 2021, 19262 Rn. 10, beck-online). Ist es zu keiner Bezifferung des Stufenantrags gekommen ist nach § 42 Abs. 1 FamGKG der Wert zu schätzen. Dabei ist unerheblich, ob die Bezifferung wegen außergerichtlicher Streitbeilegung unterblieb, oder aus anderen Gründen eine Erledigung oder Rücknahme erfolgt (vgl. OLG München, a.a.O.). Maßgeblich für die Wertfestsetzung ist die aufgrund des Antrags zu schätzende realistische Erwartung des Klägers hinsichtlich des Zahlungsanspruchs bei Beginn der Instanz (vgl. OLG Frankfurt a.a.O. m.w.N.; OLG München a.a.O.).

Nach diesen Maßstäben ist der Wert nach dem nicht mehr bezifferten Zahlungsanspruch zu bemessen, was die Antragstellerin nicht anficht.

Es kommt nicht in Betracht, den Wert als Wert der Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen zu bemessen. Denn bereits mit der Antragsschrift hat die Antragstellerin ein Schreiben der Versicherung vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass der Rückkaufswert der Versicherung dem Antragsgegner ausgezahlt wurde. Der Rückkaufswert entspricht nicht den eingezahlten Beiträgen. Nach § 169 Abs. 3 VVG ist Rückkaufswert das nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode berechnete Deckungskapital der Versicherung, bei einer Kündigung des Versicherungsverhältnisses jedoch mindestens der Betrag des Deckungskapitals, das sich bei gleichmäßiger Verteilung der angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt. Bei vor dem 1. Januar 2008 abgeschlossenen Verträgen ist es gemäß Art. 4 Abs. 2 EGVVG, § 176 Abs. 3 VVG in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung (vgl. Winter in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2013, § 169 Rückkaufswert, Rn. 173, juris) der nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik für den Schluss...

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