Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsgebühr in Kindschaftssachen
Leitsatz (amtlich)
Auch in Sorgerechtsverfahren nach § 1666 BGB kann eine anwaltliche Einigungsgebühr entstehen.
Normenkette
BGB § 1666; RVG-VV Nr. 1003; RVG § 55
Verfahrensgang
AG Fulda (Beschluss vom 29.12.2020; Aktenzeichen 44 F 29/20 SO) |
Tenor
Auf die befristete Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Fulda vom 29.12.2020 dahingehend abgeändert, dass die aus der Staatskasse an den Beschwerdeführer zu zahlende Vergütung auf 839,26 EUR festgesetzt wird.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Das am XX.XX.2013 nichtehelich geborene betroffene Kind hat zunächst zusammen mit seiner Mutter bei seinen Großeltern väterlicherseits gelebt.
Mit Gefährdungsmeldung vom 7.2.2020 teilte das Jugendamt mit, dass es den Jungen gegen den Willen der alleinsorgeberechtigten Mutter in Obhut genommen habe und die Prüfung familiengerichtlicher Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB anrege. Zur Begründung führte das Jugendamt aus, dass die Familie seit mehreren Jahren bekannt und die Mutter infolge Medikamentenabhängigkeit, einer Borderlineerkrankung und wegen Depressionen nicht erziehungsfähig sei. Nunmehr erscheine das Kindeswohl gefährdet, weil die Mutter beabsichtige, mit dem Sohn aus ihrem elterlichen Haushalt auszuziehen und mangels Krankheitseinsicht eine Hilfestellung verweigere, die jedoch angesichts ihres psychischen Zustandes dringend erforderlich sei. Darüber hinaus habe sich inzwischen herausgestellt, dass auch die Großeltern auf Grund ihrer psychischen Instabilität keine wesentliche Stütze darstellten.
Mit Beschluss vom 5.3.2020 ist der vorliegend Beschwerde führende Rechtsanwalt der Mutter im Rahmen der dieser bewilligten Verfahrenskostenhilfe beigeordnet worden.
Im ersten Anhörungstermin vom 5.3.2020 kamen die Beteiligten überein, dass ein Sachverständigengutachten zu der Frage der Erziehungsfähigkeit der Mutter eingeholt werden sollte, die sich mit der Aufrechterhaltung der Inobhutnahme einverstanden erklärte und das Jugendamt in Hinblick auf die anstehende Einschulung des Kindes bevollmächtigte, die Schulangelegenheiten, die Gesundheitssorge sowie "Behördenangelegenheiten" zu regeln.
In seinem Gutachten vom 8.7.2020 gelangte der Sachverständige zu der Empfehlung, dass die Mutter sich zunächst einer stationären Suchttherapie unterziehen, sich nach erfolgreichem Abschluss mit dem Jungen in eine Mutter-Kind-Einrichtung begeben und anschließend eine eigene Wohnung beziehen sollte, andernfalls die Entziehung der elterlichen Sorge und dauerhafte Trennung von Mutter und Kind unumgänglich sei.
Im zweiten Anhörungstermin vom 17.9.2020 erklärte die Mutter, dass sie sich inzwischen in stationäre Therapie begeben habe und den Vorschlägen des Sachverständigen folgen wolle, so dass es bis auf weiteres bei der Inobhutnahme des Kindes in der Wohngruppe bleiben könne. In der Sitzungsniederschrift heißt es sodann:
"Die Beteiligten erklärten im Hinblick auf das Einverständnis der Kindesmutter dahingehend, dass A weiter in der Wohngruppe in Stadt1 verbleiben kann, das Verfahren für erledigt. Familiengerichtliche Maßnahmen sind daher derzeit nicht erforderlich... Das Gericht führte aus, dass sofern die Kindesmutter die Zustimmung zum Aufenthalt von A in der Wohngruppe widerrufen sollte, hier gegebenenfalls ein neues familiengerichtliches Verfahren anhängig zu machen wäre."
Abschließend traf das Amtsgericht eine Kostenentscheidung und setzte es den Verfahrenswert auf 3.000 EUR fest.
Der Beschwerdeführer hat gemäß § 55 RVG gegenüber der Landeskasse Festsetzung seiner Vergütung wie folgt begehrt:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG (1,3) |
261,30 EUR |
Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG (1,2) |
241,20 EUR |
Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003 VV RVG (1,0) |
201,00 EUR |
Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
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723,50 EUR |
zzgl. 16 % Mehrwertsteuer |
115,76 EUR |
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839,26 EUR |
Mit Beschluss vom 11.11.2020 hat der Rechtspfleger im Einvernehmen mit dem zuvor angehörten Bezirksrevisor unter Verweis auf die Entscheidung OLG Koblenz, FamRZ 2021, 450 f., die dem Beschwerdeführer aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung ohne Berücksichtigung der Einigungsgebühr, die nach der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung in Verfahren gemäß §§ 1666, 1666a BGB nicht anfallen könne, unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags wie folgt festgesetzt:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG (1,3) |
261,30 EUR |
Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG (1,2) |
241,20 EUR |
Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
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522,50 EUR |
zzgl. 16 % Mehrwertsteuer |
83,60 EUR |
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606,10 EUR |
Gegen den ihm am 17.11.2020 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 24.11.2020 eine als sofortige Beschwerde bezeichnete Erinnerung eingelegt und u. a. auf die Entscheidung des OLG Karlsruhe, FamRZ 2020, 364 ff., verwiesen.
Mit Beschluss vom 29.12.2020 hat das Amtsgericht die Erinnerung, welcher der Rechts...