Leitsatz (amtlich)

Im Verfahren der einstweiligen Anordnung zur Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1631b BGB iVm § 151 Nr. 6 FamFG ist eine isolierte Kostenentscheidung, die nach Rücknahme des Antrags ergangen ist, mit der Beschwerde anfechtbar.

 

Normenkette

BGB § 1631b; FamFG §§ 57, 81, 151 Nr. 6; FamGKG § 55

 

Verfahrensgang

AG Offenbach (Aktenzeichen 319 F 1148/21)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Gerichtskosten werden für das erstinstanzliche Verfahren nicht erhoben. Seine außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

Der amtsgerichtliche Wertfestsetzungsbeschluss wird aufgehoben.

Für das Beschwerdeverfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben; seine außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

 

Gründe

I. Die Kindesmutter begehrt die Abänderung einer Kostenentscheidung in einem einstweiligen Anordnungsverfahren auf familiengerichtliche Genehmigung der freiheitsentziehenden Unterbringung ihrer Tochter.

Die für ihre am ... geborene Tochter JJ allein sorgeberechtigte Kindesmutter beantragte unter dem 02.08.2021 bei der Rechtsantragsstelle des Familiengerichts, die Unterbringung ihrer Tochter gemäß § 1631 b BGB zu genehmigen.

Die 14-jährige JJ lebt seit Juli 2021 auf Anraten des Jugendamtes in verschiedenen Einrichtungen, aus denen sie mehrfach abgängig war; wiederholt wurde durch die Kindesmutter bzw. das Jugendamt Vermisstenanzeige gestellt. Im Zeitpunkt der Antragstellung durch die Kindesmutter im August 2021 war der Aufenthaltsort der Tochter erneut unbekannt. In der Folge tauchte JJ zeitweise auf, verließ die Einrichtungen jedoch wieder unerlaubt. Im September 2021 teilte das Jugendamt mit, dass JJ mit Zustimmung der Kindesmutter übergangsweise bei der Großmutter väterlicherseits unterkommen sollte, bis eine dauerhafte Wohngruppe für sie gefunden werden könnte. Das Familiengericht bestellte eine Verfahrensbeiständin für das betroffene Kind und eröffnete von Amts wegen ein Verfahren nach § 1666 BGB. Zum gerichtlichen Anhörungstermin von JJ Ende September erschien die Verfahrensbeiständin, nicht jedoch JJ selbst. Auf Anregung des Familiengerichts nahm die Kindesmutter letztlich ihren Antrag auf Genehmigung der Unterbringung im Januar 2022 zurück.

Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Familiengericht den Wert des Verfahrens auf 2.000 Euro fest und entschied, die Kosten des Verfahrens der Kindesmutter aufzuerlegen.

Hiergegen richtet sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde. Die Entscheidung, der Kindesmutter die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, entspreche nicht der Billigkeit. Die Kindesmutter sei dem Anraten des Jugendamtes gefolgt, die Unterbringung ihrer Tochter zu beantragen. Damit sei sie in Verantwortung dieser Empfehlung nachgekommen. Vom Jugendamt sei der Antrag im Sorgerechtsverfahren nochmals empfohlen und verteidigt worden, da JJ aufgrund ihres Drogenkonsums und ihres strafrechtlichen Inerscheinungtretens Hilfe benötige. Die Kindesmutter habe auf Drängen des Gerichts ihren Antrag zurückgenommen. Die Unterbringung sei aus Kindeswohlgesichtspunkten zweifelsfrei dringend erforderlich gewesen.

II. Die Beschwerde der Kindesmutter gegen die Kostenentscheidung ist zulässig, insbesondere auch statthaft und form- und fristgerecht eingelegt; sie ist auch begründet, soweit der Antragstellerin durch die angefochtene Entscheidung Gerichtskosten auferlegt wurden.

Vorliegend hat das Familiengericht in einem einstweiligen Anordnungsverfahren auf Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung eines minderjährigen Kindes gemäß § 1631b BGB nach Rücknahme des Antrags durch die Kindesmutter eine isolierte Entscheidung über die Kosten des Verfahrens getroffen.

Isolierte Kostenentscheidungen sind im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit generell als Endentscheidungen mit der befristeten Beschwerde gemäß § 58 FamFG anfechtbar (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2021, 538; FamRZ 2014, 593; OLG Koblenz 2018, 1766; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, § 58 Rn. 97).

In Verfahren der einstweiligen Anordnung richtet sich die Anfechtbarkeit von Entscheidungen nach § 57 FamFG als lex specialis (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2014, 593; Dürbeck in: Prütting/Helms, FamFG, § 57 Rn. 18). Dabei schließt § 57 S. 1 FamFG eine Beschwerde gegen Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen grundsätzlich aus. Nach § 57 S. 2 FamFG gilt diese Einschränkung jedoch nicht in Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 FamFG und (weiter) auch nicht, wenn das Gericht in den in § 57 S. 2 Nr. 1 - 5 FamFG normierten Fällen aufgrund mündlicher Erörterung entschieden hat.

Soweit überwiegend die Auffassung vertreten wird, dass im Rahmen von den in § 57 S. 2 FamFG aufgezählten Verfahren, in denen nach Rücknahme oder anderweitiger Erledigung nicht eine Entscheidung in der Sache, sondern lediglich über die Kosten des Verfahrens getroffen worden ist, ein Rechtsmittel nicht gegeben ist (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2021, 538; FamRZ 2014, 593; OLG Koblenz FamRZ 2016, 1287; KG AGS 2015, 146; Dürbeck in:...

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