Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzung von § 1598a Abs. 1, Abs. 2 BGB (Anordnung der Duldung von Probeentnahmen) Verfahrensgang:

 

Normenkette

BGB § 1598a

 

Verfahrensgang

AG Eschwege (Beschluss vom 27.05.2015; Aktenzeichen 5 F 547/14 AB)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2) gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Eschwege vom 27.5.2015 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten werden den Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnerinnen zu 1/3 und der Antragsgegnerin zu 2) darüber hinaus zu weiteren 2/3 als Alleinschuldnerin auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im zweiten Rechtszug werden den Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnerinnen auferlegt; im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Der Beschwerdewert wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 2) haben einander am ... 11.1982 geheiratet. Aus ihrer Ehe ist am ... 1987 die Antragsgegnerin zu 1) hervorgegangen.

Die beteiligten Eheleute leben seit 2002 voneinander getrennt. Sie haben schon mehrfach vor Gericht um den Trennungsunterhalt gestritten, der zur Zeit i.H.v. mtl. 649,00 EUR tituliert ist. In dem vor dem Senat unter dem Az. 2 UF 169/15 (Familiengericht Eschwege, 5 F 377/14 UE) rechtshängigen Abänderungsverfahren begehrt der Antragsteller Reduzierung seiner Unterhaltspflicht auf null. Hierzu hat er u.a. Verwirkung gemäß § 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 7 BGB geltend gemacht und behauptet, dass die Antragsgegnerin zu 1) nicht von ihm abstamme und er hierüber jahrelang von der Antragsgegnerin zu 2) getäuscht worden sei.

In dem vorliegenden Verfahren, dessentwegen der Senat das Verfahren 2 UF 169/15 mit Beschluss vom 6.7.2015 nach § 21 FamFG ausgesetzt hat, begehrt der Antragsteller die Ersetzung der Einwilligungen der Antragsgegnerinnen in eine genetische Abstammungsuntersuchung und die Duldung entsprechender Probeentnahmen (§ 1598a Abs. 2 BGB).

Die Antragsgegnerin zu 1) hat die örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts Eschwege gerügt und behauptet, ihren Wohnsitz und regelmäßigen Aufenthalt in ... zu haben, ohne allerdings eine Adresse mitzuteilen. Insoweit hat das Familiengericht eine EWO-Polizei-Auskunft eingeholt, aus welcher hervorgeht, dass die Antragsgegnerin zu 1) weiterhin mit Hauptwohnsitz in ... gemeldet ist. Im Übrigen sind beide Antragsgegnerinnen den Anträgen entgegengetreten. Die Antragsgegnerin zu 1) hat geltend gemacht, dass das Begehren des Antragstellers rechtsmissbräuchlich und er aus finanziellen Gründen gar nicht in der Lage sei, das Gutachten erstellen zu lassen. Darüber hinaus hat sie sich auf ihr Selbstbestimmungsrecht, ihre Handlungsfreiheit, ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht, ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung, ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie auf ihre Menschenwürde berufen. Die Antragsgegnerin zu 2) hat eingewandt, dass die Antragsgegnerin zu 1) von dem Antragsteller abstamme.

Das AG hat den Anträgen des Antragstellers mit Beschluss vom 27.5.2015 entsprochen und zur Begründung ausgeführt, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Zustimmung zur genetischen Abstammungsuntersuchung sowie auf Duldung der für die Begutachtung erforderlichen Probeentnahmen aus § 1598a Abs. 2 BGB habe. Das Gesetz ermögliche die folgenlose Klärung der genetischen Abstammung, die nicht an weitere Voraussetzungen wie z.B. die Einhaltung von Fristen oder ein besonderes Feststellungsinteresse gebunden sei, weshalb der Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht greife. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Vorschrift, die gerade einem Grundrechtseingriff durch heimlich durchgeführte Genuntersuchungen entgegenwirken solle, bestünden nicht.

Gegen den ihren Verfahrensbevollmächtigten am 12.6.2015 zugestellten Beschluss haben die Antragsgegnerinnen jeweils am 13.7.2015 (Montag) Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegnerin zu 1) hat ihre Rechtsansicht wiederholt und vertieft, dass § 1598a BGB verfassungswidrig sei. Sie meint zum einen, der Gesetzgeber hätte jedenfalls bei inzwischen volljährigen Kindern für Härtefälle Ausnahmen vorsehen müssen und verstoße dadurch, dass er in § 1598a Abs. 3 BGB nur für minderjährige Kinder bei erheblicher Kindeswohlbeeinträchtigung eine Verfahrensaussetzung vorsehe, gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, gegen die Richtlinie 2000/78/EG sowie gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Sie hat daher angeregt, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen sowie die hier aufgeworfenen Fragen gemäß Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen. Darüber hinaus rügt sie fehlerhafte Rechtsanwendung durch die Vorinstanz, weil § 1598a BGB bei verfassungskonformer Auslegung voraussetze, dass der Antragsteller Zweifel an der Abstammung habe und ein besonderes Feststellungsinteresse behaupte, was beides nicht der Fall sei. Die Antragsgegnerin zu 2) hat ihre Beschwerde nicht begründet.

Die Antragsgegnerinn...

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