Leitsatz (amtlich)

In Ehewohnungssachen nach § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG ist wie in allen der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterfallenden Streitigkeiten unter Familienangehörigen bei der Auferlegung von Kosten Zurückhaltung geboten. Von einem groben Verschulden des der Wohnung verwiesenen Ehegatten i.S.d. § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG ist regelmäßig bei einer schuldhaften Begehung einer der in § 1361b Abs. 2 Nr. 1 BGB genannten Rechtsgutverletzungen auszugehen. Stützt sich die Wohnungszuweisung maßgeblich auf Belange eines im Haushalt lebenden minderjährigen Kindes scheidet die Annahme eines groben Verschuldens des der Wohnung verwiesenen Ehegatten hingegen regelmäßig aus, es sei denn, er hat durch gegen den anderen Ehegatten oder das Kind gerichtete Rechtsgutverletzungen der oben beschriebenen Art oder durch ähnlich krasses Fehlverhalten Veranlassung zur Antragserhebung gegeben.

 

Normenkette

FamFG §§ 81, 200 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 1361b

 

Verfahrensgang

AG Wiesbaden (Beschluss vom 19.09.2012; Aktenzeichen 537 F 124/12)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beschwerdeführrein auferlegt.

Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren festgesetzt auf 675,08 EUR.

 

Gründe

I. Mit ihrer am 22.10.2012 beim AG eingegangenen Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die Kostenentscheidung in der zwischen den Beteiligten vor dem AG anhängig gewesenen Ehewohnungssache.

Das AG wies der Antragstellerin auf ihren Antrag vom 19.6.2012 hin die im gemeinsamen Haus der Beteiligten gelegene Ehewohnung nach Einholung einer Stellungnahme des zuständigen Jugendamts vom 9.8.2012, Anhörung der Beteiligten am 31.8.2012 und Zeugenvernehmung des minderjährigen Sohns der Antragstellerin am 18.9.2012 für die Dauer der Trennungszeit zur alleinigen Nutzung zu. Wegen des der Wohnungszuweisung zugrunde liegenden Sachverhalts wird auf die Antragsschrift vom 19.6.2012 (Bl. 1 ff. der Akte), die Stellungnahme des Jugendamts (Bl. 18 f. der Akte), die Sitzungsniederschriften vom 31.8.2012 (Bl. 41 ff. der Akte) und vom 18.9.2012 (Bl. 78 ff. der Akte) sowie auf die angefochtene Entscheidung (Bl. 82 ff. der Akte) Bezug genommen.

Die Gerichtskosten erlegte das AG den Beteiligten je zur Hälfte auf und sah im Übrigen von der Auferlegung von Kosten ab; den Verfahrenswert setzte es auf 3.000 EUR fest. Zur Begründung der Kostenentscheidung führte das AG aus, diese beruhe auf §§ 80, 81 FamFG. Zwar habe der Antragsgegner für das Verfahren, soweit es die Ehewohnung betreffe, durch grobes Verschulden Anlass gegeben. Da die Antragstellerin die Wohnungszuweisung jedoch zu Unrecht bezüglich des gesamten Hausgrundstücks beantragt habe, entspreche die Aufhebung der Kosten der Billigkeit.

Mit ihrer am Montag, den 22.10.2012, beim AG eingegangenen Beschwerde gegen den ihr am 21.9.2012 zugestellten Beschluss begehrt die Antragstellerin eine dahingehende Abänderung der Kostenentscheidung, dass die Verfahrenskosten vom Antragsgegner allein zu tragen sind. Zur Begründung führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus, soweit der Antrag in der Antragsschrift vom 19.6.2012 missverständlich formuliert worden sei, ergebe sich sowohl aus der darin enthaltenen Beschränkung auf "4 Zimmer, Küche, Bad, Flur, Balkon und Kellerraum" als auch aus der Begründung des Antrags, dass lediglich die Zuweisung der in dem Haus befindlichen Ehewohnung und nicht die Zuweisung des gesamten Hausgrundstücks einschließlich der im Erdgeschoss verpachteten Gaststätte begehrt wurde. Das gerichtliche Verfahren habe der Antragsgegner durch sein gesamtes Verhalten überhaupt erst notwendig gemacht. Er habe sich seinem minderjährigen Stiefsohn gegenüber so verhalten, dass dieser sich aus der Wohnung gedrängt fühlte und sich in sein Mansardenzimmer verkroch. Eine vorgerichtliche Aufforderung zur Überlassung der Wohnung habe der Antragsgegner zurückgewiesen. Das gerichtliche Verfahren habe er künstlich in die Länge gezogen.

Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegen getreten. Er hält die Voraussetzungen für eine vollständige Kostentragung seinerseits, insbesondere eine Veranlassung des Verfahrens durch grobes Verschulden seinerseits, nicht für gegeben.

II. Die auf die Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss beschränkte Beschwerde ist zulässig.

Sie ist nach §§ 58 Abs. 1 FamFG statthaft; ein Verbot der isolierten Anfechtung von Kostenentscheidungen sieht das FamFG für die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht vor (vgl. Feskorn in Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 58 FamFG, Rz. 5 m.w.N.).

Sie ist innerhalb der Frist des § 63 Abs. 1 FamFG in der durch § 64 Abs. 1 und 2 FamFG vorgeschriebenen Form eingelegt worden.

Der sich aus § 61 Abs. 1 FamFG ergebende Beschwerdewert von 600 EUR ist erreicht. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Antragstellerin die Abwälzung ihr auferlegter Kosten von insgesamt 675,08 EUR (1,0 × 89 EUR (Ziff. 1320 KV FamGKG), 1,3 × 189 EUR (Ziff. 3100 RVG-VV), 1,2 × 189 EUR Ziff. 3104 RVG-VV), 20 EUR Post- und Telekommunikationspauschale (Ziff. 7...

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