Entscheidungsstichwort (Thema)
Einleitung eines sorgerechtlichen Abänderungsverfahrens
Leitsatz (amtlich)
1. Die in der Form einer Verfügung getroffene Entscheidung des Amtsgerichts, von der Einleitung eines sorgerechtlichen Abänderungsverfahrens nach § 1696 Abs. 2 BGB abzusehen, kann jedenfalls dann mit der Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG angefochten werden, wenn sie das nach § 166 Abs. 2 FamFG durchzuführende Überprüfungsverfahren der Sache nach beendet hat und wenn sie mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist.
2. Ein Abänderungsverfahren ist einzuleiten, wenn Tatsachen vorliegen, die es als möglich erscheinen lassen, dass die Abänderungsvoraussetzungen nach § 1696 Abs. 2 BGB gegeben sind.
3. Welche Aktivitäten das Familiengericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht im Überprüfungsverfahren entfaltet, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, wobei die Art der kindesschutzrechtlichen Maßnahme, seine Einschätzung von der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Änderung sowie Umfang und Ergebnis bereits durchgeführter Überprüfungen einzubeziehen sind. Im Einzelfall kann die Einholung einer aktuellen Stellungnahme des Jugendamts genügen.
Normenkette
BGB § 1696 Abs. 2; FamFG § 58 Abs. 1, § 166 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Bad Schwalbach (Beschluss vom 23.11.2023; Aktenzeichen 1 AR 15/23) |
Tenor
I. Die Beschwerden der Mutter und des Vaters werden zurückgewiesen.
II. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Eltern des Kindes sind verheiratet und leben getrennt. Das Kind wurde im September 2020 durch das Jugendamt in Obhut genommen. Mit Beschluss des Amtsgerichts Stadt1, ... vom 05.05.2022, Az. ..., wurde den Eltern nach Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens die Sorge für das Kind entzogen und das Jugendamt des Kreises1 als Amtsvormund bestellt. Der Entzug der elterlichen Sorge wurde insbesondere damit begründet, dass es infolge von Defiziten in der Erziehungsfähigkeit der Mutter zu erheblichen Entwicklungsrückständen im kognitiven und sozial-emotionalen Bereich des Kindes gekommen sei. Unter anderem inszeniere die Mutter zur Erfüllung eigener Bindungsbedürfnisse Krankheitsbilder bei dem Kind; sie negiere dabei die Bedürfnisse des Kindes und hindere seine Autonomieentwicklung. Der Vater stehe als Ressource nicht zur Verfügung, da er sich nicht um die Belange des Kindes gekümmert oder deutlich gemacht habe, hierzu künftig in der Lage zu sein. Eine gegen den Beschluss erhobene Beschwerde der Mutter, welche beim Oberlandesgericht unter dem Aktenzeichen ... geführt wurde, wurde in einem Anhörungstermin am 25.11.2022 zurückgenommen. Dem Vater, der im vorgenannten Termin anwesend war, konnte der Beschluss mangels bekannter zustellungsgeeigneter Anschrift nicht zugestellt werden.
Der Vater hat mit Schreiben an das Amtsgericht vom 17.05.2023 darum gebeten, das Kind an die Mutter zurückzugeben. Mit Schreiben an das Amtsgericht vom 18.09.2023 hat auch die Mutter eine Rückführung des Kindes an sie gefordert.
Das Amtsgericht hat das Jugendamt um Abgabe einer Stellungnahme gebeten. Dieses hat mit Schreiben vom 21.06.2023 unter Bezugnahme auf eine in einem familiengerichtlichen Umgangsverfahren eingereichte Stellungnahme vom 26.05.2023 und einen dort am 17.05.2023 erfolgten Anhörungstermin berichtet und Stellung genommen, insbesondere dahingehend, dass eine Rückführung des Kindes in das unverändert bestehende Familiensystem weiterhin eine Gefährdung des Kindeswohls darstelle. Die Mutter sei nicht gewillt oder in der Lage, mit dem Jugendamt zu kooperieren, um die familiäre Situation zu verbessern.
Das Amtsgericht verfügte am 09.11.2023, dass von der Einleitung eines Abänderungsverfahrens abgesehen wird. Es zeige sich nach Abschluss der Überprüfung, dass die Kindeswohlgefährdung weiterhin fortbestehe und die Sorgerechtsentziehung weiterhin erforderlich sei. Die Verfügung wurde mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, in der auf die Möglichkeit der Beschwerde hingewiesen wird. Sie wurde am 25.11.2023 dem Vater und der Mutter zugestellt.
Am 27.12.2023 ging beim Amtsgericht ein Schreiben der Mutter vom 20.12.2023 ein, wonach "Beschwerde gegen den Beschluss vom 23.11.2023 Az.: 1 AR 15/23 AR" eingelegt werde. Ferner ging beim Familiengericht zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt ein vom Vater unterschriebenes und nicht mit einem Eingangsstempel versehenes Schreiben vom 17.12.2023 ein, in dem ebenfalls angeführt wird, dass "Beschwerde gegen den Beschluss vom 23.11.2023 Az.: 1 AR 15/23 AR" eingelegt werde.
Der Berichterstatter hat mit Verfügung vom 31.01.2024 darauf hingewiesen, dass die Schwelle für die Einleitung eines Abänderungsverfahrens nicht überschritten sein dürfte. Die Beteiligten hatten abschließend Gelegenheit zur Stellungnahme.
II. 1. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, von der Einleitung eines Abänderungsverfahrens abzusehen, ist ...