Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Gesamtabwägung der Kindeswohlkriterien in einem sorgerechtlichen Verfahren finden insbesondere auch die von den Eltern erstrebten Betreuungskonzepte Berücksichtigung.

2. Infolge eines sorgerechtlichen Beschlusses kann durch Entscheidung des durch ihn zur alleinigen Aufenthaltsbestimmung berechtigten Elternteils ein zuvor einvernehmlich praktiziertes und nicht in einem vorangegangen Umgangsverfahren familiengerichtlich geregeltes paritätisches Wechselmodell beendet werden.

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Vaters wird zurückgewiesen.

II. Der Vater hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Aus der Beziehung der Beteiligten ging Vorname1 Vorname2 Nachname1, geb. am XX.XX.2010, hervor. Die Eltern gaben am 29.12.2011 eine gemeinsame Sorgeerklärung für das Kind ab. Nachdem es zwischen den Eltern im Jahr 2013 zur Trennung kam lebte Vorname1 zunächst im Haushalt der Mutter.

Am 07.08.2018 eröffnete das Amtsgericht -Familiengericht- Frankfurt am Main unter Az. ... ein Kinderschutzverfahren. Sowohl die Verfahrensbeiständin wie auch das Jugendamt sahen zur damaligen Zeit eine Gefährdung des Kindeswohls, weil sich Vorname1 wegen des fortwährenden Konflikts der Eltern in einem starken Loyalitätskonflikt befinde.

Die Eltern schlossen am 17.08.2018 in einem vor dem Amtsgericht -Familiengericht- Frankfurt am Main unter Az. ... geführten Verfahren eine Vereinbarung, in der sie übereinkamen, das Kind paritätisch zu betreuen. Zugleich erzielten sie Einigkeit, eine konfliktregulierende Beratung in Anspruch nehmen zu wollen. Das Verfahren wurde ohne eine gerichtliche Regelung des Umgangs abgeschlossen, insbesondere wurde die Vereinbarung der Eltern nicht familiengerichtlich gebilligt. Die Mutter brach die Beratung im November 2018 ab. Sie war der Auffassung, dass das Wechselmodell aufgrund einer Störung der Kooperations- und Kommunikationsebene der Eltern nicht fortgesetzt werden könne, der Vater hingegen hielt an diesem fest. Anfang 2019 erzielten die Eltern Einigkeit, das paritätische Wechselmodell fortsetzen zu wollen.

In dem unter Az. ... geführten Verfahren wurde durch Beschluss vom 05.06.2019 ein Gutachten der Sachverständigen ... eingeholt. Sie gelangte in ihrem vom 16.12.2019 datierenden Gutachten zu dem Ergebnis, dass bei beiden Elternteilen Einschränkungen in der Bindungstoleranz bestünden, die übrigen Aspekte ihrer erzieherischen Eignung jedoch nicht negativ zu beurteilen seien. Es entspräche dem Wohl des Kindes, das Wechselmodell fortzusetzen. Zugleich sei es jedoch erforderlich, dass die Eltern zumindest 10 Stunden Beratung in Anspruch nehmen müssen. Sofern diese scheitern sollte, sei davon auszugehen, dass Vorname1s psychische Belastung weiter zunehme und eine Schädigung des Kindes eintreten würde. Die Mutter erklärte sich in der in diesem Verfahren erfolgten Anhörung vom 26.02.2020 einverstanden, die paritätische Betreuung fortzusetzen, lehnte es jedoch ab, eine Beratung wahrzunehmen. Das Amtsgericht erteilte den Eltern nachfolgend durch Beschluss vom 07.07.2020 eine auf § 1666 BGB gestützte Auflage, wonach sie eine Beratung gem. § 17 S. 2 Nr. 2 SGB VIII in Anspruch nehmen müssen. Zugleich wurde ihnen aufgegeben, nachzuweisen, dass sie in sechs Monaten mindestens zehn Termine in Anspruch genommen haben. Die Beratung wurde nachfolgend nicht umgesetzt.

Auf Antrag des Vaters vom 12.03.2021 wurde das vorliegende Verfahren eingeleitet, mit dem er ursprünglich erstrebte, die elterliche Sorge für Vorname1 alleine übertragen zu bekommen. Das Wechselmodell sei als gescheitert anzusehen, da die Kommunikation der Eltern mit regelmäßigen Problemen verbunden sei und sich ohne fachliche Unterstützung nicht zu verbessern vermöge. Vorname1 würde dadurch schwer belastet und es sei eine Störung in ihrer Entwicklung zu befürchten. Durch Schriftsatz vom 24.09.2021 nahm der Vater seinen Sorgerechtsantrag zurück.

Die Mutter behauptet, dass zwischen den Eltern keine hinreichende Kommunikationsgrundlage für die gemeinsame Entscheidung sorgerechtlicher Belange des Kindes bestehe.

Sie beantragte erstinstanzlich, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie die Gesundheitsfürsorge für das Kind zu übertragen.

Der Vater begehrte, diesen Antrag zurückzuweisen.

Der Vater verweist darauf, dass sich das Verhältnis zwischen den Eltern während des laufenden Verfahrens entspannt habe. Sie vermögen lediglich in einzelnen Angelegenheiten des Kindes derzeit keine Einigung zu erzielen. Vorname1 habe zuletzt glücklich und unbefangen gewirkt.

Vorname1 wurde vom Familiengericht am 11.05.2021 persönlich angehört. Sie führte aus, bei ihrer Mutter leben und mit dem Vater Umgang pflegen zu wollen.

Die Eltern wurden vom Amtsgericht am 09.06.2021 persönlich angehört. Beide erklärten, eine Beratung nach § 17 SGB VIII nunmehr in Anspruch nehmen zu wollen. Dieses Angebot nahmen sie nachfolgend bei unterschiedlichen Einrichtungen...

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