Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeitsbestimmung durch das OLG nach Bestellung eines vorläufigen Betreuers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat das nach § 272 Abs. 2 FamFG zuständige Eilgericht die gebotene Eilmaßnahme der Bestellung eines vorläufigen Betreuers einschließlich der Verpflichtung und Aushändigung des Betreuerausweises erledigt, so kommt eine Zuständigkeitsbestimmung durch das OLG nicht in Betracht, wenn das Eilgericht und das für den gewöhnlichen Aufenthalt des Betroffenen zuständige Betreuungsgericht sich nicht über den Verbleib der vom Eilgericht über die einstweilige Anordnung angelegten Akte verständigen können.

2. Der Verbleib oder die Entgegennahme dieser Akte trifft keine Aussage über die Zuständigkeit für weitere Eilmaßnahmen oder deren spätere Abänderung.

 

Normenkette

FamFG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 51 Abs. 3, § 272 Abs. 1-2, § 300 Abs. 1

 

Tenor

Eine Zuständigkeitsbestimmung erfolgt nicht.

 

Gründe

I. Der Betroffene, der in O1 wohnt, befand sich Ende Juli 2011 zur medizinischen Behandlung im ... Klinik O2.

Auf Anregung dieser Klinik bestellte das AG Gießen mit Beschluss vom 27.7.2011 die Ehefrau des Betroffenen zur vorläufigen Betreuerin mit den Aufgabenkreisen der Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßnahmen sowie Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten, wobei die Anhörung des Betroffenen am selben Tage nachgeholt wurde.

Der zuständige Betreuungsrichter des AG Gießen übersandte die Akte mit Verfügung vom 28.7.2011 an das AG in Frankfurt/M., wobei er ausführte, das Verfahren sei an dieses für den gewöhnlichen Aufenthalt des Betroffenen allgemein zuständigen Gericht zur Fortführung zu übersenden, wobei es sich nicht um ein Abgabeverfahren i.S.d. §§ 4, 273 FamFG handele und daher Anhörungen nicht erforderlich seien.

Das für den Wohnsitz des Betroffenen zuständige AG Frankfurt/M. sandte die Akte mit Verfügung des dortigen Betreuungsrichters vom 16.8.2011 an das AG Gießen mit dem Bemerken zurück, eine Erforderlichkeit zur förmlichen Aktenübernahme werde nicht gesehen. Nach den Regelungen des FamFG seien Eilverfahren selbständige Verfahren, die grundsätzlich nach Erledigung des Eilbedarfs und Beschlussfassung nicht abzugeben bzw. zu übernehmen seien; von der Eilmaßnahme sei das regelzuständige Gericht gem. § 72 Abs. 2 FamFG lediglich zu unterrichten, welches dann in eigener Zuständigkeit prüfe, ob es in einem Hauptsacheverfahren zu einer dauerhaften Bestellung eines Betreuers komme. Deshalb werde die Akte nach Anfertigung von Kopien der relevanten Aktenteile zum Verbleib zurückgesandt.

Nachdem der Rechtspfleger des AG Gießen dem für den Wohnsitz zuständigen AG Frankfurt/M. einen Betreuerausweis, eine Ausfertigung des Bestellungsbeschlusses und ein vorbereitetes Verpflichtungsprotokoll mit der Bitte um Verpflichtung, Führung des Einführungsgesprächs und Aushändigung des Betreuerausweises übersandt und die Verpflichtung der vorläufigen Betreuerin dort am 16.9.2009 vorgenommen worden war, übersandte der Betreuungsrichter des AG Gießen die Akte unter dem 28.9.2011 dem OLG Frankfurt zur Bestimmung des für das weitere vorläufige Betreuungsverfahren zuständigen Gerichts.

II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung sind nicht erfüllt.

Allerdings ist gem. § 272 Abs. 1 Nr. 2 FamFG vorrangig dasjenige Gericht für Verrichtungen, die die Betreuung betreffen, zuständig, in dessen Bezirk der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Besteht eiliger Handlungsbedarf, so sieht § 272 Abs. 2 FamFG für einstweilige Anordnungen nach § 300 FamFG oder vorläufige Maßregeln ergänzend neben dem Gericht des gewöhnlichen Aufenthaltes zusätzlich eine Zuständigkeit des Gerichtes vor, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge bekannt wird (vgl. Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 272 Rz. 6). Hierzu zählt insbesondere auch die Bestellung eines vorläufigen Betreuers durch einstweilige Anordnung nach § 300 Abs. 1 FamFG.

Im vorliegenden Fall hat das AG Gießen nicht nur die Ehefrau des Betroffenen zu dessen vorläufiger Betreuerin bestellt, sondern auch die zunächst unterlassene Anhörung des Betroffenen nachgeholt und dafür Sorge getragen, dass gem. § 289 FamFG die vorläufige Betreuerin verpflichtet und ihr gem. § 290 FamFG die Bestellungsurkunde ausgehändigt wurde (zur Zuständigkeit des Eilgerichts hierfür s. OLG Frankfurt FGPrax 2004, 287). Damit hat das Eilgericht sämtliche durch die Dringlichkeit des Falles gebotenen Maßnahmen erledigt, da dem Akteninhalt derzeit eine Notwendigkeit für weitere Eilmaßnahmen i.S.d. § 272 Abs. 2 Satz 1 FamFG nicht entnommen werden kann. Hierdurch endet das Fürsorgebedürfnis, was zugleich zur Folge hat, dass auch eine weitere Zuständigkeit des auf der Grundlage des § 272 Abs. 2 FamFG tätig gewordenen Eilgerichts derzeit nicht mehr gegeben ist (vgl. Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 4. Aufl., § 272 Rz. 38; Jurgeleit/Buc. i. c., Betreuungsrecht, 2. Aufl., § 272 Rz. 8; Locher PraxisKomm. Betreuungs- und Unterbringungsverfahren, 2. Aufl., § 272 Rz. 21...

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