Orientierungssatz

Die Bestimmung eines nur im Verhältnis zu einem Teil der Streitgenossen prorogierten Gerichts als gemeinsam zuständig setzt voraus, dass dieser Gerichtsstand im konkreten Fall auch für die an der Prorogation nicht Beteiligten zumutbar ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 12, 17, 36, 59-60

 

Tenor

Das Landgericht Kassel wird gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als das zuständige Gericht bestimmt.

 

Gründe

I.

Die Klägerin macht mit der im Januar 2011 vor dem Landgericht Kassel erhobenen Klage Gewährleistungsansprüche im Zusammenhang mit Planung und Durchführung von Freianlagen an einem Bauvorhaben in O1 geltend, bei dem die Klägerin als Generalübernehmerin tätig war.

Sie trägt vor, der Beklagte zu 1) sei von der Generalplanerin des Bauvorhabens, der Fa A-Gesellschaft mbH, mit B-Architektenleistungen beauftragt worden. In dem zugrundeliegenden Vertrag ist als Gerichtsstand Kassel vereinbart (Bl. 21 d.A.). Die Fa A habe alle Gewährleistungsansprüche aus diesem Vertrag an die Klägerin abgetreten.

Die Beklagte zu 2) war von der Klägerin mit der Ausführung der B-Arbeiten beauftragt worden. In dem zugrunde liegenden Vertrag ist Kassel als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart worden (Bl. 28 d.A.).

Die Beklagte zu 3) hat für die Beklagte zu 2) eine Gewährleistungsbürgschaft übernommen (Bl. 34 d.A.); sie wird vorliegend aus dieser Bürgschaft in Anspruch genommen.

Gegen die Beklagten zu 2) und 3) sowie gegen die Firma A hatte die Klägerin bereits im März 2007 vor dem Landgericht Kassel ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet, das bislang noch nicht abgeschlossen ist (AZ. 6 OH 18/11).

Die Beklagte zu 3) hat im vorliegenden Verfahren die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Kassel gerügt (Bl. 146 d.A.). Die Klägerin hat darauf hin Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gestellt.

Die Beklagte zu 3) ist der Auffassung, dass im Hinblick auf die zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 1) und 2) getroffenen Gerichtsstandsvereinbarungen eine Zuständigkeitsbestimmung nicht in Betracht komme, da keine der Beklagten am allgemeinen Gerichtsstand verklagt werde. Für sie sei allein das Landgericht Frankfurt a.M. örtlich zuständig. Die Beklagte zu 2) regt an, das Landgericht Darmstadt als örtlich zuständig zu bestimmen, weil sich in dessen Bezirk das streitgegenständliche Bauvorhaben befinde. Der Beklagte zu 1) hat mit der Bestimmung des Landgerichts Kassel Einverständnis erklärt.

II.

Auf den nach § 36 Absatz 1 Nr. 3 ZPO zulässigen Antrag ist durch den hierzu aufgerufenen Senat das Landgericht Kassel als zuständiges Gericht zu bestimmen.

Nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erfolgt auf Antrag eine Gerichtsstandsbestimmung, wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand in Anspruch genommen werden und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist.

Die Beklagten haben ihren allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 17 ZPO) in unterschiedlichen Landgerichtsbezirken, die Beklagten zu 1) und 3) im Bezirk des Landgerichts Frankfurt am Main, die Beklagte zu 2) im Bezirk des Landgerichts Darmstadt. Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand ist nicht begründet. Insbesondere scheidet ein gemeinsamer Gerichtsstand des Erfüllungsortes aus, weil Erfüllungsort für eine Bürgschaftsforderung der Sitz des Bürgen ist (vgl. Zöller-Vollkommer, § 29 ZPO Rdnr. 25 "Bürgschaft und Garantie").

Streitgenossenschaft auf Antragsgegnerseite ist anzunehmen. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO findet bei allen Arten der passiven Streitgenossenschaft Anwendung (vgl. BGH NJW 1998, 686; Zöller-Vollkommer, § 36 ZPO, Rn. 14 m.w.N.). Es genügt auch eine sogenannte einfache Streitgenossenschaft nach §§ 59, 60 ZPO, für deren Vorliegen es ausreicht, dass nach dem Vortrag des Klägers gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Verpflichtungen gegeben sind. Die der Prozesswirtschaftlichkeit dienende Vorschrift des § 60 ZPO ist weit auszulegen, da sie überwiegend auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht. Rechtlich zusammenhängende Verfahren sollen miteinander verbunden werden können, damit sie schneller, mit geringerem Aufwand und möglichst widerspruchsfrei entschieden werden können. Dies gestattet es, auch ohne Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der geltend zu machenden Ansprüche Streitgenossenschaft anzunehmen, wenn diese Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (BGH NJW-RR 1991, 381; NJW 1998, 685, 686; BayObLG NJW-RR 2003, 134, jeweils m.w.N.). Dies ist hier der Fall.

Die weitere Voraussetzung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, wonach die Streitgenossen "im allgemeinen Gerichtsstand in Anspruch genommen werden" sollen, ist hier dem Wortlaut nach zwar nicht erfüllt, weil die Klägerin die Beklagten vor dem im Verhältnis zu den Beklagten zu 1) und 2) prorogierten Landgericht Kassel...

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