Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsansprüche nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) im Eilverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Dringlichkeit bei im Wege des Eilverfahrens geltend gemachten Ansprüchen nach dem GeschGehG.
2. Bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem GeschGehG ist es im Hinblick auf die hinreichende Bestimmtheit der Anträge erforderlich, dass die streitbefangenen Geschäftsgeheimnisse konkret bezeichnet werden.
3. Die Ausräumung einer im Sinne von § 6 GeschGehG konkreten Erstbegehungsgefahr setzt nicht die Abgabe einer strafbewerten Unterlassungserklärung voraus. Sie kann in der Regel durch einen sog. actus contrarius ausgeräumt werden, der auch darin gesehen werden kann, dass die Antragsgegnerin im Eilverfahren erklärt, etwaige Geschäftsgeheimnisse nicht zu nutzen oder offenzulegen.
4. Der Empfang einer E-Mail erfüllt nicht das Erfordernis eines "unbefugten Zugangs" im Sinne von § 4 Abs. 1 GeschGehG.
Normenkette
GeschGehG §§ 4, 6-7
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 20.08.2020; Aktenzeichen 2-6 O 247/20) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Textilindustrie, insbesondere dem Gebiet der Vliesstoffe. Sie streiten um Ansprüche aus dem Geschäftsgeheimnisgesetz.
Der ehemalige Angestellte der Antragstellerin - Vorname1 X - kündigte mit Schreiben vom 28.2.2020 die Anstellung bei der Antragstellerin. Hierauf schlossen die Antragstellerin und der Mitarbeiter X am 18.3.2020 einen Aufhebungsvertrag des Inhalts, dass das Anstellungsverhältnis mit Ablauf des 31.8.2020 endete. Am 8.4.2020 wurde der Mitarbeiter X freigestellt. Er ist mittlerweile bei der Antragsgegnerin beschäftigt.
Die Antragstellerin hatte im Mai 2020 Indizien dafür, dass mehrere Mitarbeiter im Begriff waren, zur Antragsgegnerin oder zu deren konzernangehörigen Gesellschaften zu wechseln. Der Betriebsrat der Antragstellerin stimmte am 19.5.2020 einer Untersuchung der Datenbewegungen einiger der betroffenen Mitarbeiter zu. Die am 20.6.2020 durchgeführte Sichtung ergab, dass der ehemalige Mitarbeiter X eine Vielzahl von Daten auf externe Datenträger exportiert, in ein externes Netzwerk hochgeladen, Dokumente der Antragstellerin gedruckt und Daten der Antragstellerin per E-Mail an seine eigene Adresse sowie an die Adresse des Geschäftsführers der Antragsgegnerin gesendet hatte. Dieses Ergebnis der extern durchgeführten Auswertung wurde der Antragstellerin am 7.7.2020 bekannt gemacht.
Das Landgericht hat den auf Unterlassung der Nutzung und/oder Offenlegung von Betriebsgeheimnissen sowie Herausgabe entsprechender Unterlagen gerichteten Verfügungsantrag mit Beschluss vom 20.8.2020 zurückgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, es fehle an einem Verfügungsgrund, da die Überwachungssoftware ungewöhnliche Datenbewegungen im IT-System bereits im März 2020 registriert habe. Es mangele auch an einem Verfügungsanspruch, da der Geschäftsführer der Antragsgegnerin nach dem Vortrag der Antragstellerin von dem Mitarbeiter X lediglich eine E-Mail erhalten habe, hinsichtlich derer die Antragstellerin nicht dargetan habe, dass die dort enthaltene Abbildung Geschäftsgeheimnisse enthalte. Im Übrigen könne nicht unterstellt werden, dass der Geschäftsführer der Antragsgegnerin nach § 4 Abs. 3 Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) wusste oder wissen musste, dass der Mitarbeiter X die Information rechtswidrig erlangt habe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren Verfügungsantrag in modifizierter Form weiterverfolgt.
Die Antragstellerin beantragt:
I. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt zwei Jahren, zu vollziehen an den gesetzlichen Vertretern der Antragsgegnerin, jeweils zu unterlassen,
a) in ihrem Besitz befindliche Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin betreffend die Auftragslage der Antragstellerin, Angebotsverfahren der Antragstellerin und/oder bestehende Geschäftsbeziehungen der Antragstellerin mit Kunden und/oder Lieferanten, jeweils in den Geschäftsbereichen
der Vliesstoffe ("Nonwoven"), insbesondere der nassgelegten Vliesstoffe
("Wetlaid"), zu nutzen und/oder Dritten offenzulegen;
b) Mitarbeiter und/oder Organe der Antragstellerin aufzufordern, Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin betreffend die Auftragslage der Antragstellerin, Angebotsverfahren der Antragstellerin und/oder bestehende Geschäftsbeziehungen der Antragstellerin mit Kunden und/oder Lieferanten,
jeweils in den Geschäftsbereichen der Vliesstoffe ("Nonwoven"), insbesondere der nassgelegten Vliesstoffe ("Wetlaid"), ...