Leitsatz (amtlich)
1.
Sind 5 Jahre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vollzogen, so kann von der Einholung eines externen Gutachtens gemäß § 463 IV StPO nur in ganz begrenzten Ausnahmefällen abgesehen werden.
2.
Eine Entscheidung ohne Gutachten kommt in Betracht, wenn ein bereits von der Anstalt eingeholtes externes Prognosegutachten vorliegt, wenn bei Einholung des Gutachtens die Verzögerung einer unmittelbar bevorstehenden Entlassung des Verurteilten aus dem Maßregelvollzug zu besorgen ist oder aber die spätere Einholung des Gutachtens mit Blick auf die fehlende Aussetzungsreife der Reststrafe geboten erscheint.
3.
Der Umstand, dass bei zuvoriger Einholung des Gutachtens die Einjahresfrist des § 67 e I, II StGB nicht eingehalten werden kann, rechtfertigt hingegen ein Absehen vom Gebot des § 463 IV StPO nicht.
Verfahrensgang
LG Marburg (Aktenzeichen 7 StVK 4/08) |
Gründe
Der Verurteilte befindet sich auf Grund des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29.05.2001 im Maßregelvollzug gem. § 63 StGB. Zuvor war er in vorliegender Sache in Untersuchungshaft und nach am 13.2.2001 erfolgter Umwandlung des Haft- in einen Unterbringungsbefehl bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils am 21.02.2002 in der einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO. Durch Anrechnung sind mehr als die Hälfte der im Urteil verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren verbüßt. Die Fortdauer der Unterbringung wurde bisher ausschließlich auf Grund der Stellungnahmen der Maßregelvollzugsanstalt entschieden.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Aussetzung der Vollstreckung von Restfreiheitsstrafe und Maßregel auf der Grundlage der Stellungnahme der Klinik vom 10.12.2007 und nach zuvoriger mündlicher Anhörung des Verurteilten im Beisein seiner Verteidigerin, die ihm vom Kammervorsitzenden unter Hinweis auf § 63 IV 1, 4 StPO beigeordnet worden war, abgelehnt und ausgeführt, das externe Gutachten werde in Rahmen eines neuen Verfahrens nach § 68e StGB unverzüglich eingeholt.
Die gegen den Fortdauerbeschluss form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat aus verfahrensrechtlichen Gründen vorläufigen Erfolg. Die Kammer hat entgegen § 463 IV StPO ohne Einholung eines externen Sachverständigengutachtens entschieden.
In dieser durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007 mit Wirkung vom 20.7.2007 eingeführten Bestimmung soll das Gericht im Rahmen der Überprüfungen nach § 67 e StGB nach jeweils fünf Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das Gutachten eines Sachverständigen einholen, der nicht im Rahmen des Vollzuges der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen sein noch in dem psychiatrischen Krankenhaus, in dem sich die untergebrachte Person befindet, arbeiten darf. Die Unterbringung wurde vorliegend vor der Entscheidung der Kammer schon länger als fünf Jahre vollzogen. Von der Einholung eines externen Gutachtens kann nur in ganz eng begrenzten Ausnahmefällen abgesehen werden (Senat, Beschl. v. 12.02.2008 - 3 Ws 155/08 und v. 29.02.2008 - 3 Ws 225/08; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.2008 - 2 Ws 14/08 - [...]). Ein solcher liegt hier nicht vor.
Der Senat (aaO) hat ausgeführt, dass ein Absehen vom Gebot des § 463 IV StPO nach dem Willen des Gesetzgebers in Betracht kommt, wenn ein bereits von der Anstalt eingeholtes externes Prognosegutachten vorliegt, wenn bei Einholung des Gutachtens die Verzögerung einer unmittelbar bevorstehenden Entlassung des Verurteilten aus dem Maßregelvollzug zu besorgen ist oder aber die die spätere Einholung des Gutachtens mit Blick auf die fehlende Aussetzungsreife der Reststrafe (vgl. § 67 V StGB) geboten erscheint. Diese Ausnahmefälle liegen hier ersichtlich nicht vor. Der Senat hat ferner ausgeführt (Beschl. v. 29.02.2008 - 3 Ws 225/08), dass ohne Bedeutung ist, wenn - wie hier der Fall - die Kammer nicht einmal erwogen hat, die Vollstreckung von Restfreiheitsstrafe und Unterbringung zur Bewährung auszusetzen.
Soweit das OLG Oldenburg (Beschl. v. 07.09.2007 - 1 Ws 481/07 - [...]) die Auffassung vertritt, dass ein weiterer Ausnahmefall gegeben sei, wenn die Erwartung künftiger rechtswidriger Taten und die darauf beruhende andauernde Gefährlichkeit des Untergebrachten für die Allgemeinheit - etwa wegen der Art der psychischen Erkrankung - völlig unzweifelhaft vorlägen, kann weiter offen bleiben, ob dieser Ansicht zu folgen ist.
Nach den letzten Stellungnahmen der Klinik ist nach Beginn der medikamentösen Behandlung mit A nämlich auch und gerade im deliktsrelevanten Bereich der Sexualität beim Verurteilten eine positive Veränderung zu verzeichnen. Namentlich hat der Verurteilte im Vollzug eine außerordentlich hohe Compliance in Bezug auf die medikamentöse Behandlung gezeigt, im Gegensatz zu früher nicht mehr von drängenden pädophil-sadistischen Phantasien berichtet, konnte kein spezifisches Stimulationsmater...