Leitsatz (amtlich)
1. Die Grenze zur Geringwertigkeit einer Sache i.S. der §§ 243 Abs. 2; 248a StGB liegt bei 50,- € (Bestätigung von OLG Frankfurt [1. Strafsenat], NStZ-RR 2008, 311).
2. Kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Tat gemäß § 243 Abs. 2 StGB auf eine geringwertige Sache bezogen hat, so scheidet ein besonders schwerer Fall des Diebstahls i.S. von § 243 Abs. 1 StGB aus.
3. Ein zugebilligter vertypter Strafmilderungsgrund kann - jedenfalls im Zusammenwirken mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen - Anlass geben, trotz Vorliegens eines Regelbeispiels einen besonders schweren Fall zu verneinen. Die Darlegungen des Tatrichters müssen erkennen lassen, dass er sich dieser Möglichkeit bewusst ist.
Normenkette
StGB §§ 49, 243 Abs. 1-2, § 248a
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.11.2015; Aktenzeichen 933 Ds - 112 Js 51889/15) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 27.11.2015 im Strafausspruch einschließlich der zuzuordnenden Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Strafrichter - Frankfurt am Main zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten durch Urteil vom 27.11.2015 wegen Diebstahls in zwei Fällen, wobei es in einem Fall (Tat zu Ziff. 1) beim Versuch blieb, zu einer Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 7,- Euro verurteilt.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte am 30.11.2015 Rechtsmittel eingelegt und dieses am 12.01.2016 als (Sprung )Revision konkretisiert. Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und ebenso begründeten Revision rügt der Angeklagte allgemein die Verletzung materiellen Rechts.
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat in ihrer Stellungnahme vom 06.04.2016 beantragt, die Revision des Angeklagten als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Zu der Tat zu Ziff. 1 hat die Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt, dass eine ausdrückliche Wertangabe bzgl. des Mountain-Bikes im Urteil zwar fehle, sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe erschließe, dass das fahrtüchtige Mountain-Bike keine geringwertige Sache i.S.d. § 243 Abs. 2 StGB gewesen sei.
II.
Die Revision ist zulässig (§§ 333, 335, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist die Revision unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die revisionsgerichtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge hat im Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.
Insbesondere fehlt es bezüglich der Tat zu Ziff. 1 nicht an der Prozessvoraussetzung des § 248a StGB, da die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung für diese Tat im Revisionsverfahren bejaht hat. Eine solche Erklärung ist auch noch in der Revisionsinstanz zulässig (BGHSt 6, 282, 285; BGH, Beschl. v. 26.09.2012 - 4 StR 364/12, juris [Rn. 4]; BGH StV 2003, 559; BGHSt 6, 282, 285; Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 230 Rn. 4 m.w.N.).
2. Hingegen hält der Strafausspruch revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Strafzumessung grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters ist, da er allein in der Lage ist, sich aufgrund der Hauptverhandlung einen umfassenden Eindruck von Tat und Täter zu verschaffen. Das Revisionsgericht kann nur in den Fällen eingreifen, in denen Rechtsfehler vorliegen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Richter von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist, seine Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind oder rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Acht gelassen wurden oder wenn sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, soweit nach oben oder unten inhaltlich löst, dass ein grobes Missverhältnis zwischen Schuld und Strafe besteht (vgl. nur Senat, Beschl. v. 09.05.2008 - 1 Ss 67/08, juris [Rn. 12] m.w.N., insoweit in NStZ-RR 2008, 311 nicht abgedr.).
a) Die Strafrahmenbestimmung bei der Bemessung der Einzelstrafe für die Tat zu Ziff. 1 ist rechtsfehlerhaft erfolgt. Das Amtsgericht hat insoweit einen falschen und für den Angeklagten ungünstigeren Strafrahmen angewandt.
Das Amtsgericht ging für die Tat zu Ziff. 1 von dem Strafrahmen eines Diebstahls im besonders schweren Fall gemäß § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB (Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 10 Jahren) aus. Dieser Strafrahmen wurde vom Amtsgericht einmal nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der Angeklagte bei der Tat aufgrund seiner Drogenabhängigkeit nur vermindert steuerungsfähig war, und ein weiteres Mal nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert, da die Tat im Versuch steckenblieb.
Die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB ...