Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundbucheintragung
Leitsatz (redaktionell)
Das Bestehen auf der Vorlage eines Erbscheins gem. § 35 I, 2, 2. HB GBO ist nur dann gerechtfertigt, wenn sich bei der Prüfung der Verfügung von Todes wegen hinsichtlich des behaupteten Rechts wirkliche Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über den Willen des Erblassers oder über die tatsächlichen Verhältnisse geklärt werden können.
Normenkette
GBO § 35 Abs. 1, § 35 S. 2
Verfahrensgang
LG Kassel (Beschluss vom 02.02.1998; Aktenzeichen 3 T 45/98) |
AG Fulda (Beschluss vom 04.12.1997) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Rechtspflegers bei dem Amtsgericht – Grundbuchamt – Rotenburg (Fulda) vom 4. Dezember 1997 werden aufgehoben,
Die Sache wird zur anderweitigen Entscheidung über den Berichtigungsantrag der Beteiligten vom 29. August 1997 an das Amtsgericht – Grundbuchamt – Rotenburg (Fulda) zurückgegeben.
Gründe
Als Eigentümer des eingangs näher bezeichneten Grundstücks ist der … im Grundbuch eingetragen. Die Testamentsakten enthalten eine privatschriftliche letztwillige Verfügung des Erblassers vom 31.8.1978 mit einer handschriftlichen Veränderung vom 28.8.1990, einen privatschriftlichen Vertrag zwischen dem Erblasser und der Antragstellerin vom 10.8.1984 (dem Testament beigefügt), einen notariellen, zwischen dem Erblasser und der Antragstellerin geschlossenen Erbvertrag vom 15.4.1986, ein privatschriftliches Testament des Erblassers vom 6.3.1987 mit Nachträgen vom 24.7.1987 und 5.8.1987 (Ergänzung des Erbvertrags), ein vom Erblasser eigenhändig geschriebenes Schriftstück mit dem Datum vom 17.8.1995, das vom Erblasser und der Antragstellerin unterzeichnet worden ist, sowie die Eröffnungsniederschrift des Nachlaßgerichts vom 13.5.1997.
In dem notariellen Erbvertrag vom 10.8.1986 haben der Erblasser und die. Antragstellerin sich vertragsgemäß gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Als einseitige Verfügungen haben der Erblasser seine drei Kinder und die Antragstellerin zwei ihrer Nichten zu Schlußerben des Längerlebenden eingesetzt. Die Vertragsschließenden haben sich den Rücktritt von dem Erbvertrag unter der Voraussetzung vorbehalten, daß sie gleichzeitig in dem Rücktrittsschreiben erklären, nicht bereit zu sein, die Lebensgemeinschaft mit dem anderen fortzusetzen. Weiter haben sie vereinbart, daß der Rücktritt durch notariell beurkundete Erklärung gegenüber dem anderen erfolgt und diesem zu Lebzeiten zugehen muß.
Das vom Erblasser und der Antragstellerin unterzeichnete Schriftstück mit dem Datum des 17.8.1995 lautet wie folgt:
„Der Erbvertrag (beim Amtsgericht Rotenburg/F. hinterlegt) ist infolge Änderung der darin angeführten Umstände/Fakten zwischen … ab dem … 17.08.95 und … ab dem 17.08.95 ungültig!
Beide Partner haben jeder für sich ein handschriftliches Testament abgeschlossen und diese beiden Testamente in einem Banksafe bei … hinterlegt. Dies erklären beide gewesenen Vertragspartner mit Ort, Datum u. Unterschriften”
Nach dem Inhalt der Testamentsakten ist das in dem Schriftstück vom 17.8.1995 erwähnte, angeblich in einem Banksafe hinterlegte Testament des Erblassers nicht zum Nachlaßgericht gelangt und nicht auffindbar.
Die Antragstellerin hat unter dem 29.8.1997 unter Bezugnahme auf den vom Nachlaßgericht am 13.5.1997 eröffneten Erbvertrag vom 15.4.1986 beantragt, sie auf Grund Erbfolge als Eigentümerin des eingangs näher bezeichneten Grundstücks einzutragen. Nachdem der Rechtspfleger ihr durch Zwischenverfügung vom 2.10.1997 die Beibringung eines Erbscheins binnen vier Monaten aufgegeben und die Antragstellerin unter dem 27.11.1997 um eine rechtsmittelfähige Entscheidung gebeten hatte, hat der Rechtspfleger durch Beschluß vom 4.12.1997 den Berichtigungsantrag zurückgewiesen, da trotz des Formmangels der Erklärungen der Erbvertragsschließenden vom 17.8.1995 die Wirksamkeit der Aufhebung des Erbvertrags nicht endgültig ausgeschlossen sei. Der dagegen eingelegten Erinnerung der Antragstellerin haben der Rechtspfleger und der Richter des Grundbuchgerichts nicht abgeholfen. Das Landgericht hat nach Vorlage der Sache die Beschwerde durch Beschluß vom 2.2.1998 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz vom 8.6.1998 eingelegte weitere Beschwerde der Antragstellerin.
Die zulässige weitere Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der beiden Vorentscheidungen und zur Anweisung an das Grundbuchamt, neu über den Berichtigungsantrag vom 29.8.1997 zu entscheiden.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat das Landgericht die zu ihm eingelegte Beschwerde mit Recht für zulässig erachtet, obwohl die Antragstellerin die Zwischenverfügung vom 2.10.1997 nicht angefochten hat. Die Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Eintragungsantrags kann auch dann mit der Begründung erhoben werden, daß der angegebene Grund unrichtig sei, wenn der Antragsteller die auf denselben Grund gestützte Zwischenverfügung nicht angefochten hatte (KEHE/Kuntze GBR 4. Aufl. § 71 Rz. 16; Demharter GBO 22. Aufl. § 18 Rz. 54; Kle...