Entscheidungsstichwort (Thema)

Eröffnung letztwilliger Verfügungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 348 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Nachlassgericht, sobald es vom Tod des Erblassers Kenntnis erlangt hat, eine in seiner Verwahrung befindliche Verfügung von Todes wegen zu eröffnen. Damit sind alle letztwilligen Verfügungen gemeint, die zu den Akten des Nachlassgerichts gelangt sind. Dies gilt bei entsprechendem Inhalt auch bei untypischem äußeren Erscheinungsbild, beispielsweise einem Brief.

2. Ist unklar, ob der Erblasser Testierwillen hatte und ein Schriftstück daher eine letztwillige Verfügung enthält, darf zur Vermeidung überflüssiger Eröffnungen lediglich eine äußerst begrenzte summarische Vorprüfung erfolgen, da die Eröffnung den Beteiligten die Prüfung der Wirksamkeit und des Inhalts der Verfügung erst ermöglichen soll. Bereits die bloße, wenn auch nur entfernte Möglichkeit einer Testamentseigenschaft ist dabei ausreichend. Im Zweifel muss eröffnet werden.

 

Normenkette

FamFG § 348 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Wiesbaden (Beschluss vom 22.08.2013; Aktenzeichen 412 VI 1838/11)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das AG wird angewiesen, den Antrag vom 26.03.2013 nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.

Notwendige Aufwendungen werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Erblasser hat eine letztwillige Verfügung vom 10.05.2000 hinterlassen, wegen deren genauen Inhalts auf Blatt 18 der Akte verwiesen wird. Aufgrund dieser letztwilligen Verfügung ist den weiteren Beteiligten zu 1. bis 3. am 14.11.2011 ein gemeinschaftlicher Erbschein dahingehend erteilt worden, dass diese Erben zu jeweils 1/3 Anteil seien. Auf Blatt 69 d.A. wird wegen des Inhalts dieses Erbscheins Bezug genommen.

Der Antragsteller zu 1. hat dem Nachlassgericht mit Schreiben vom 20.04.2012 ein Schriftstück vom 24.06.2002 vorgelegt und um Berücksichtigung dieses Schreibens gebeten. Die Rechtspflegerin beim Nachlassgericht hat hierauf mit Verfügung vom 14.05.2012 (Bl. 75 d.A.) reagiert. Mit Schreiben vom 26.03.2013 (Bl. 79 ff. d.A.) haben die Antragsteller sodann die Auffassung geäußert, aufgrund dieses Schreibens Mitvermächtnisnehmer hinsichtlich des Miterbenanteils des Erblassers an einem Grundstück - der zu dem Nachlass des Erblassers gehöre -zu sein. Sie haben die Auffassung vertreten, dass dieses Schriftstück gemäß § 140 BGB in ein Testament des Erblassers umzudeuten sei, welches lediglich ein Vermächtnis zugunsten der Antragsteller und der übrigen Miterben aussetze. Sie haben gebeten, das Schriftstück als letztwillige Verfügung des Erblassers zu eröffnen. Wegen des genauen Inhalts dieses Schriftstückes vom 20.04.2012 wird auf Bl. 86 d.A. verwiesen. Die weiteren Beteiligten zu 1. und 2. sind dem Antrag ausweislich ihres Schriftsatzes vom 29.04.2013 (Bl. 88 d.A.) entgegen getreten. Durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 98 ff. d.A.), auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, hat die Rechtspflegerin beim Nachlassgericht den Antrag der Antragsteller zu 1. und 2. vom 26.03.2013 auf Eröffnung des eingereichten Schriftstücks des Erblassers vom 24.06.2002 als letztwillige Verfügung zurückgewiesen.

Gegen diesen am 26.08.2013 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller mit am 30.08.2013 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Die Rechtspflegerin beim Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie ausweislich des Beschlusses vom 20.01.2014 (Bl. 104 ff. d.A.) dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die weiteren Beteiligten zu 1. und 2. haben zur Beschwerde mit Schriftsatz vom 06.02.2014 (Bl. 115 ff. d.A.) Stellung genommen. Der Antragsteller zu 1. und der weitere Beteiligte zu 3. sind verstorben.

II. Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Die Ablehnung des Nachlassgerichts, ein Schriftstück als Testament zu eröffnen, ist grundsätzlich mit dem Rechtsmittel der Beschwerde anfechtbar (vgl. die Nachweise bei OLG Köln NJW-RR 2004, 1014; Firsching/Graf, Nachlassrecht, 10. Aufl., Rz. 4.47). Die Antragsteller, die sich aufgrund des Schriftstückes als Vermächtnisnehmer ansehen, sind insoweit beschwerdeberechtigt, da ihr Recht durch die Unterlassung der Eröffnung beeinträchtigt wäre (vgl. hierzu die Nachweise bei Firsching/Graf, a.a.O., Rz. 4.47); im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung ist eine mögliche Rechtsbeeinträchtigung im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG hinreichend (vgl. auch Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl., § 59 Rz. 20 ff.).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Nachlassgericht die Eröffnung des Schriftstücks als Verfügung des Erblassers von Todes wegen abgelehnt.

Nach § 348 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Nachlassgericht, sobald es vom Tod des Erblassers Kenntnis erlangt hat, eine in seiner Verwahrung befindliche Verfügung von Todes wegen zu eröffnen. Damit sind alle letztwilligen Verfügungen gemeint, die zu den Akten des Nachlassgerichts gelangt sind (Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 348 Rz. 10). Dazu gehört auch das hier zu den Nachlassakten eingereichte und vom...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge