Leitsatz (amtlich)
Schuldet die im Rechtsstreit obsiegende Partei ihrem Prozessbevollmächtigten nur eine gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV um die anteilige Geschäftsgebühr geminderte Verfahrensgebühr, dann kann gem. § 91 ZPO zu ihren Gunsten keine volle, sondern nur eine geminderte Verfahrensgebühr festgesetzt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Geschäftsgebühr im Rechtsstreit tituliert oder unstreitig außergerichtlich ausgeglichen worden ist.
Verfahrensgang
LG Hanau (Beschluss vom 17.07.2007; Aktenzeichen 1 O 173/07) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hanau vom 17.7.2007 aufgehoben, soweit die von der Klägerin an den Beklagten zu erstattenden Kosten auf mehr als 2.828,45 EUR festgesetzt worden sind.
Insoweit wird die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 931,77 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. In dem dem Kostenfestsetzungsverfahren vorausgegangenen Rechtsstreit hat die Klägerin den Beklagten auf Rückzahlung des von ihr entrichteten Kaufpreises für ein Hausgrundstück i.H.v. 80.000 EUR in Anspruch genommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem LG vom 15.5.2007 haben sich die Parteien im Wege des Vergleichs dahin geeinigt, dass der Beklagte zur Abgeltung der Klageforderung 11.000 EUR an die Klägerin zahlt. Nach der in dem Vergleich getroffenen Kostenregelung entfallen von den Kosten des Rechtsstreits 87 % auf die Klägerin und 13 % auf den Beklagten.
Mit Schriftsatz vom 31.5.2007 hat der Beklagte Kosten i.H.v. insgesamt 5.033,70 EUR zur Ausgleichung angemeldet. Hierin enthalten ist eine 1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV i.H.v. 1.560 EUR zzgl. Umsatzsteuer. Insoweit hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 16.6.2007 die Auffassung vertreten, die Verfahrensgebühr könne nur anteilig festgesetzt werden, wenn vorgerichtlich eine Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG-VV angefallen sei. Unter Hinweis darauf, dass die Prozessbevollmächtigten der Parteien vorgerichtlich miteinander korrespondiert hätten, hat die Klägerin eine Erklärung des Beklagten dazu verlangt, ob und in welcher Höhe er eine Geschäftsgebühr zu entrichten habe.
Die Klägerin selbst hat Kosten i.H.v. insgesamt 4.093,60 EUR angemeldet. Dabei hat sie von der Verfahrensgebühr i.H.v. 1.560 EUR eine 0,65 Geschäftsgebühr i.H.v. 780 EUR in Abzug gebracht.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 2.7.2007 die Auffassung vertreten, die Geschäftsgebühr sei im Kostenfestsetzungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn und soweit sie einer Partei im Erkenntnisverfahren vom Gericht zugesprochen worden sei. Im Übrigen hat es der Beklagte abgelehnt, eine Erklärung zum Anfall einer Geschäftsgebühr abzugeben.
Mit Beschluss vom 17.7.2007 hat das LG die dem Beklagten von der Klägerin zu erstattenden Kosten auf 3.760,22 EUR festgesetzt. Dabei hat es - den jeweiligen Kostenfestsetzungsanträgen entsprechend - auf Seiten der Klägerin eine gekürzte und auf Seiten des Beklagten eine ungekürzte Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht. Nicht berücksichtigt hat das LG die von dem Beklagten geltend gemachte Umsatzsteuer i.H.v. 1,90 EUR auf eine Gebühr für die Grundbucheinsicht.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 19.7.2007 zugestellten Kostenfestsetzungsbe-schluss am 21.7.2007 sofortige Beschwerde eingelegt, soweit die festgesetzten Kosten einen Betrag i.H.v. 2.828,45 EUR übersteigen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das LG habe die Anrechnungsvorschrift der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV zu Unrecht nicht angewendet und deshalb zugunsten des Beklagten eine in dieser Höhe nicht angefallene Verfahrensgebühr berücksichtigt. Tatsächlich habe der Beklagte eine Verfahrensgebühr mit einem Gebührensatz von mehr als 0,55 nicht glaubhaft gemacht. Hilfsweise hat die Klägerin beantragt, auch zu ihren Gunsten eine ungekürzte Verfahrensgebühr in Ansatz zu bringen.
Der Beklagte hat gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung eingelegt, soweit das LG die Umsatzsteuer auf die Gebühr für die Grundbucheinsicht abgesetzt hat.
Das LG hat der sofortigen Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 20.9.2007 nicht abgeholfen. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr setze voraus, dass die Geschäftsgebühr im Urteil tituliert worden sei, woran es im vorliegenden Fall fehle. Auf den Hilfsantrag der Klägerin hat das LG mit weiterem - nicht angefochtenem - Beschluss vom 20.9.2007 im Wege der Nachfestsetzung von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattende Kosten i.H.v. 120,67 EUR festgesetzt. Schließlich hat die Rechtspflegerin der Erinnerung des Beklagten mit Beschluss vom 20.9.2007 nicht abgeholfen und die Sache insoweit der Einzelrichterin vorgelegt. Diese hat über die Erinnerung bislang noch nicht entschieden.
II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§§ 567 Abs. 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO). Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des an...