Leitsatz (amtlich)

Das Ermessen bei der Besetzung eines öffentlichen Amtes hat sich primär daran auszurichten, auf welche Weise eine freiwerdende Notarstelle mit dem für die Betreuung des rechtssuchenden Publikums bestgeeigneten Bewerber besetzt werden kann. Der Bestandsschutz eines ursprünglich ausgewählten Bewerbers muss demgegenüber zurücktreten.

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 20.11.2006; Aktenzeichen NotZ 15/06)

 

Tenor

Der Antrag des Antragstellers, den Bescheid des Antragsgegners vom 5.4.2005 zu Aktenzeichen II a AR 1011/04-1/3 - aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, die im Justizministerialblatt für Hessen vom 1.10.2004 ausgeschriebene Notarstelle im Amtsgerichtsbezirk ... mit dem Antragsteller zu besetzen, hilfsweise den Antragsteller neu zu bescheiden, wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Der Geschäftswert wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist Rechtsanwalt in O1 und bewirbt sich für eine im Justizministerialblatt für Hessen vom 1.10.2004 neu ausgeschriebene Notarstelle im Amtsgerichtsbezirk ...

Ursprünglich hatte der Antragsgegner in einem vorangegangenen, auf Grund der Vorgaben der Entscheidung des BVerfG vom 20.4.2004 (BVerfGE 110, 304-338) aufgehobenen Ausschreibungsverfahren dem Antragsteller mitgeteilt, man beabsichtige die Stelle mit ihm zu besetzen.

Zu diesem Zeitpunkt war für den Antragsteller eine höhere Punktzahl errechnet worden als für die übrigen Bewerber.

Nach der erneuten Berechnung des Antragsgegners im Auswahlverfahren nach der Ausschreibung vom 1.10.2004, die nach den Vorgaben von § 6 Abs. 3 BNotO in Verbindung mit Abschnitt A II 3 des Runderlasses über die Ausführung der Bundes-notarordnung vom 25.2.1999 in der Fassung vom 10.8.2004 durchgeführt worden war, lag der Antragsteller mit 195,75 Punkten gegenüber 224,50 Punkte des Beteiligten dagegen nur noch an zweiter Stelle.

Im Rahmen der Anhörung zur erneuten Ausschreibung der Stelle teilte der Präsident des LG Limburg d. d. Lahn mit Bericht vom 1.2.2005 an die Präsidentin des OLG Frankfurt mit, dass hinsichtlich des Antragstellers Bedenken gegen die Eignung bestehen wegen eines Vorfalls am 20.10.2004, in dessen Zusammenhang er als Notarvertreter entgegen § 3 Abs. 3 Nr. 4 BeurkG einen GmbH-Vertrag unter der Urk-Nr .../04 protokollierte, an dem ein Mitglied der Sozietät beteiligt war.

Der Antragsgegner beabsichtigt nunmehr, die Notarstelle durch den Mitbewerber Rechtsanwalt X zu besetzen.

Dies wurde dem Antragsteller mit Bescheid der Präsidentin des OLG Frankfurt vom 5.4.2005 - zugestellt am 10.8.2005 - bekannt gegeben. Auf den näheren Inhalt des angegriffenen Bescheides wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 19.4.2005, eingegangen am gleichen Tag. Der Antragsgegner hat die Besetzung der Stelle bis zur Entscheidung des Senats über den Hauptantrag ausgesetzt.

II. Zur Begründung seines Antrags führt der Antragsteller aus, die Aufhebung der ursprünglichen Ausschreibung, die zu seiner Bestellung geführt hätte, sei ermessenswidrig, da nicht erkennbar sei, wie der Antragsteller sein Ermessen ausgeübt habe. Es sei ausreichend gewesen, Leistung und Eignung der Bewerber entsprechend den Vorgaben des BVerfG neu zu gewichten.

Die durch Runderlass vom 12.8.2004 - nach Auffassung des Antragstellers grundlos - geänderte Bewertung der besuchten Fortbildungslehrgänge, nach welcher nunmehr die zahlenmäßige Begrenzung der Anzahl der besuchten Lehrgänge entfiel und länger als drei Jahre zurückliegende Lehrgänge nur noch mit halber Punktzahl bewertet würden, habe bei einer Ausschreibungsfrist bis zum 12.11.2004 zu einer nicht so kurzfristig ausgleichbaren Lücke geführt. Es hätte eine Übergangsfrist bewilligt werden müssen.

Der Runderlass vom 12.8.2004 sei rechtswidrig. Die geforderten Fortbildungsveranstaltungen enthielten keine Kontrolle des tatsächlich erworbenen Wissens, die bloße Teilnahme genüge zum Erwerb des Scheins. Trotzdem müssten künftig sämtliche angebotenen Kurse absolviert werden, um die Chance auf ein Notaramt zu wahren. Die erheblichen Kosten dieses "Seminartourismus" begünstigten wohlhabende Kandidaten.

Auch gebe es keine Chancengleichheit von Einzelanwälten gegenüber Sozietätsanwälten bei Vertretungen.

Die Auswahlentscheidung sei auch an sich rechtswidrig.

Die Neuberechnung der Punktzahl des Antragstellers lasse seine zusätzlichen Qualifikationen als Teilnehmer eines Fachanwaltslehrgangs für Steuerrrecht und seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Lehrstuhl für Gesellschaftsrecht ebenso wie die auf diesem Gebiet erfolgreich eingereichte Dissertation und die gute Note des ersten juristischen Staatsexamens außer Betracht.

Auch sei die Tätigkeit im Notariat außerhalb von Vertretungen überhaupt nicht bewertet worden.

Für den Antragsteller seien die dem Beteiligten gewährten 59 Punkte für Fortbildungsveranstaltungen ebenso wenig überprüfbar wie die 932 Urkundsgeschäfte, die diesen zuerkannt worden seien.

Außerdem habe ...

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