Entscheidungsstichwort (Thema)
Unrichtige Sachbehandlung durch Notar
Leitsatz (amtlich)
1. Eine unrichtige Sachbehandlung durch den Notar im Sinne des § 21 GNotKG liegt nur bei einem offen zu Tage tretenden Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen oder dann vor, wenn ein offensichtliches Versehen unterlaufen ist.
2. Zum Vorliegen einer unrichtigen Sachbehandlung bei einer Beurkundung unter Mitwirkung hörbehinderter Beteiligter.
Normenkette
GNotKG § 21; BeurkG §§ 3, 22; BeurKG § 23
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Beschluss vom 27.10.2015; Aktenzeichen 4 OH 26/15, 4 T 41/15) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner im Beschwerdeverfahren etwa entstandene notwendige Aufwendungen zu erstatten.
Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 716,79 EUR.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat sich mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, den sie zunächst im Wege der Klage vor dem AG Wiesbaden verfolgt hatte, gegen die sich aus dem Rubrum ergebenden Kostenberechnungen des Antragsgegners für die Beurkundung einer General- und Vorsorgevollmacht nebst Patientenverfügung über 278,39 EUR und für die Beurkundung eines Testaments über 438,40 EUR gewendet. Wegen der Einzelheiten der Kostenberechnungen wird auf Blatt 36 ff. d.A. Bezug genommen. Da die Antragstellerin die Kostenberechnungen beglichen hatte, hat sie nach Verweisung durch das AG Wiesbaden durch Beschluss vom 26.02.2015 vor dem LG zuletzt Rückzahlung von 716,79 EUR - die Summe der Rechnungsbeträge - nebst Zinsen geltend gemacht.
Die hörbehinderte Antragstellerin ließ aufgrund eines nach dem 01.08.2013 erfolgten Beurkundungsauftrages am 29.01.2014 bei dem Antragsgegner ein Testament zugunsten von A, deren Ehemann sowie deren Tochter beurkunden. In einer weiteren Urkunde wurde eine General- und Vorsorgevollmacht nebst Patientenverfügung beurkundet und das Ehepaar A als Bevollmächtigte eingesetzt. Wegen der Einzelheiten der beiden Urkunden, UR-Nrn. 1/2014 und 2/2014 des Antragsgegners, wird auf Blatt 11 ff., 16 ff. d.A. verwiesen. A, eine Nachbarin und enge Vertraute der Antragstellerin, war zur Zeit der Beurkundungen im Büro des Antragsgegners angestellt.
Beide Urkunden enthalten zu Beginn folgende Absätze:
"Die Erschienene ist nach ihren eigenen Angaben in ihrer akustischen Wahrnehmung eingeschränkt; sie ist nahezu gehörlos, trotzdem jedoch noch in der Lage, den Notar akustisch zu verstehen sowie von seinen Lippen abzulesen und damit der Beurkundung zu folgen, sofern laut vorgelesen wird. Der Notar hat insbesondere die Erschienene darauf hingewiesen, dass aufgrund ihrer nahezu bestehenden Gehörlosigkeit die Möglichkeit besteht, einen Zeugen oder zweiten Notar zu der Beurkundung hinzuzuziehen. Die Erschienene hat hierauf ausdrücklich verzichtet.
Vorsorglich wurde der Erschienenen diese Niederschrift auch zur Durchsicht vorgelegt und von ihr genehmigt (§ 23 BeurkG)."
Feststellungen zur Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin enthalten die Urkunden nicht. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die Urkunden, nachdem er sie - was in erster Instanz unstreitig war - vorgelesen hatte, zur Durchsicht vorgelegt.
Die Antragstellerin widerrief mit Schreiben vom 20.04.2014 ihre Erklärungen gegenüber dem Antragsgegner. Das notarielle Testament wurde aus der amtlichen Verwahrung entnommen.
Die Antragstellerin hat in erster Instanz geltend gemacht, ihr seien in Höhe der Notarkostenberechnungen nutzlose Aufwendungen entstanden, da sie aufgrund ihrer Gehörlosigkeit den Inhalt der Beurkundungen nicht habe verstehen können. Sie hat behauptet, es wäre nicht zu den Beurkundungen gekommen, wenn sie den Inhalt der beiden notariellen Urkunden verstanden hätte. Es sei gerade typisch für Gehörlose, dass diese alles unterschrieben, obwohl sie nichts verstünden. Sie hat weiter behauptet, da sie keine Entwürfe in Auftrag gegeben habe, habe sie diese auch nicht vor dem Beurkundungstermin gelesen. Die Antragstellerin hat sodann behauptet, sie habe der bei dem Antragsgegner angestellten Mitarbeiterin A am Beurkundungstag erklärt, dass sie einen Gebärdensprachdolmetscher benötige. Später hat sie vorgetragen, sie habe die Hinzuziehung eines Gebärdensprachdolmetschers nicht verlangen können, da sie davon keine Kenntnis gehabt habe. Sie hat die Ansicht vertreten, der Antragsgegner habe für sie gemäß §§ 22 ff. BeurkG einen Gebärdensprachdolmetscher hinzuziehen müssen, wie das ein Notar in Stadt1 bei einer Beurkundung im Juli 2014 getan habe. Im Übrigen hat die Antragstellerin die Meinung vertreten, der Antragsgegner habe gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 8 BeurkG verstoßen, da die in beiden Urkunden genannte Begünstigte A als Angestellte in seinem Büro tätig sei.
Der Antragsgegner hat die angefochtenen Kostenberechnungen verteidigt. Er hat behauptet, die Antragstellerin habe bereits im August 2013 jeweils einen Entwurf der Urkunden erhalten, so dass sie ausreichend Zeit gehabt habe, die Urkunden zu lesen und zu verstehen. Die Hinzuziehung eines Gebärdensprachdolmetscher...