Leitsatz (amtlich)
Auch wenn die Bestellung eines Verfahrensbeistands aus Gründen der Rechtsklarheit besser förmlich erfolgen sollte, ist eine konkludente Bestellung durch das Gericht möglich. Erforderlich dafür ist, dass das Gericht dem Verfahrensbeistand eine Einflussnahme auf das Verfahren ermöglichen will und dies zumindest konkludent zum Ausdruck bringt (vgl. zur konkludenten Hinzuziehung eines Kann-Beteiligten im Betreuungsrecht BGH, Beschluss vom 13.03.2019 - XII ZB 523/18, FamRZ 2019, 915, Rn. 7). Eine nach Verfahrensabschluss erfolgte förmliche Bestellung entfaltet keine Wirkungen, ebenso wenig wie der Aufgabenkreis des Verfahrensbeistands nach Verfahrensabschluss noch erweitert werden kann (Anschluss an OLG München, Beschluss vom 19.08.2015 - 11 WF 1028/15, FamRZ 2016, 160; OLG Oldenburg, Beschluss vom 21.04.2015 - 4 WF 30/15, MDR 2016, 774, Rn. 6). Wenn zum Zeitpunkt der konkludenten Bestellung keine anderen Anhaltspunkte erkennbar sind, richtet sich die Höhe der Vergütung des Verfahrensbeistands nach dem originären Aufgabenkreis des § 158 Abs. 7 S. 2 FamFG.
Normenkette
FamFG § 158 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 3, Abs. 7, § 168 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Hanau (Aktenzeichen 64 F 1459/19 EASO) |
Tenor
Auf die Beschwerde vom 10.07.2020 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hanau vom 30.06.2020 - unter der Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - wie folgt abgeändert:
Aufgrund seines Antrags vom 13.04.2020 wird der zu erstattende Anspruch des Verfahrensbeistandes ... für seine Tätigkeit aus der Staatskasse auf 1.400,- Euro festgesetzt. Im Übrigen wird der Vergütungsantrag vom 13.04.2020 zurückgewiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 2.200,- Euro festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Verfahrensbeistand wurde in dem Hauptsacheverfahren zur elterlichen Sorge für alle vier Kinder mit erweitertem Aufgabenkreis zum Verfahrensbeistand bestellt, wobei seine Berufsmäßigkeit festgestellt wurde. In diesem Hauptsacheverfahren fand am 13.09.2019 mit den Kindeseltern, dem Jugendamt und dem Verfahrensbeistand ein Erörterungstermin statt. In dem Termin wurde der Erlass einer einstweiligen Anordnung erörtert. Das Amtsgericht kündigte im Rahmen dieser Erörterung an, dass ein EASO-Verfahren eröffnet werde und welche konkrete einstweilige Regelung beabsichtigt ist. Mit dem Protokoll des Termins wurde eine neue EASO-Akte angelegt. Am Schluss der Sitzung verkündete das Gericht einen Beschluss im EASO-Verfahren mit der angekündigten einstweiligen Regelung. Im Rubrum der Entscheidung ist der Verfahrensbeistand nicht ausgeführt. Dieser Beschluss vom 13.09.2019 wurde am 14.10.2019 auch dem Verfahrensbeistand zugestellt. Mit Beschluss vom 17.10.2019 bestellte das Amtsgericht den Verfahrensbeistand im EASO-Verfahren zu dem Verfahrensbeistand aller vier Kinder mit erweitertem Aufgabenkreis und stellte die Berufsmäßigkeit des Tätigwerdens fest.
Mit Schriftsatz vom 13.04.2020 beantragte der Verfahrensbeistand die Festsetzung der Vergütung in Höhe von 2.200,- Euro.
Die Bezirksrevisorin erhob mit Schriftsatz vom 23.04.2020 Einwendungen gegen die Festsetzung, weil die Bestellung erst nach Erlass des EA-Beschlusses erfolgte und keine Tätigkeiten des Verfahrensbeistands im vorliegenden Verfahren erkennbar seien.
Der Verfahrensbeistand teilte mit Schriftsatz vom 28.05.2020 mit, dass terminsvorbereitend mit den Kindern und den Eltern auch über den Erlass einer möglichen einstweiligen Anordnung gesprochen worden sei und der Beschluss selbst auch besprochen worden sei.
Die Bezirksrevisorin entgegnete, dass die Tätigkeit nicht mehr erfolgen könne, wenn das Verfahren bereits abgeschlossen sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Amtsgericht die Vergütung wie beantragt fest und bezog sich auf die vorgetragenen Tätigkeiten des Verfahrensbeistands im EA-Verfahren.
Der Beschluss wurde der Bezirksrevisorin am 06.07.2020 zugestellt.
Mit der am 16.07.2020 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde wiederholt und vertieft die Bezirksrevisorin ihren Vortrag, dass der Verfahrensbeistand vorliegend keine Tätigkeiten nach Erlass des Beschlusses zur Verfahrensbeistandschaft entfaltet habe und beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.
Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Senat zur Entscheidung vor.
II. Die Beschwerde ist zulässig, §§ 58 ff. FamFG, insbesondere ist der Beschwerdewert nach § 61 FamFG erreicht.
Die Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Angriffe der Bezirksrevisorin verkennen, dass der Verfahrensbeistand bereits vor dem förmlichen Beschluss vom 17.10.2019 konkludent zum Verfahrensbeistand für das Verfahren bestellt worden war, aber nur mit originärem Aufgabenkreis.
Die Festsetzung der Vergütung des berufsmäßigen Verfahrensbeistands ist nach §§ 158 Abs. 7 S. 6, 168 Abs. 1 S. 1 FamFG durch Beschluss festzuset...