Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Vergütungsvereinbarung nach § 23 Abs. 1 ArbnErfG
Leitsatz (amtlich)
Eine Vergütungsvereinbarung kann nach § 23 Abs. 1 ArbnErfG unbillig sein, wenn ein erhebliches Missverhältnis zwischen vereinbarter und gesetzlich geschuldeter Vergütung deshalb besteht, weil in der Vereinbarung kein Anteilsfaktor angesetzt ist.
Normenkette
ArbNErfG § 23
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.09.2020; Aktenzeichen 2-6 O 306/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9.9.2020 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten um arbeitnehmererfindungsrechtliche Vergütungsansprüche.
Der Kläger war bei der Beklagten in der Zeit vom 10.9.2007 bis 31.12.2018 als Mitarbeiter im Bereich Forschung und Entwicklung tätig. Dort arbeitete er unter der Leitung von X und ist zusammen mit ihm und Y Miterfinder von drei Erfindungen betreffend chemische Verbrauchsmaterialien. In einer internen Mitteilung vom 17.1.2012 setzte der Geschäftsführer der Beklagten die Erfindervergütung für den Kläger entsprechend einer am 22.7.1993 zwischen der Beklagten und zwei Erfindern getroffenen Vereinbarung fest. Danach betrug die Vergütung 3 % der mit den Produkten erzielten Nettoerlöse bis zu einem Umsatz von 500.000 EUR und 1,5 % des über 500.000 EUR hinausgehen Umsatzes, wobei jeweils der Miterfinderanteil berücksichtigt wurde. Der Anteilsfaktor wurde bei der Bemessung der Vergütungshöhe nicht einbezogen. Nach diesen Vorgaben wurde die Vergütung bis für das Jahr 2016 berechnet.
Unter dem 17.10.2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen. Es folgte ein Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Stadt1, der im Dezember 2017 mit einem Vergleich endete. Der Vergleich enthält folgende Klausel:
"Mit der Erfüllung des Vergleiches liegen keinerlei Tatsachen mehr vor, die Ansprüche irgendwelcher Art - seien sie bekannt oder unbekannt - aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung begründen."
Im April 2018 übersandte die Beklagte dem Kläger die Abrechnung der Erfindervergütung für das Jahr 2017 nach einem neuen Abrechnungssystem, das einen Anteilsfaktor von 0,15 vorsah und für die Patentfamilie "A" (Kronen- und Brückenmaterial) einen Lizenzsatz von 6 % sowie für die Patentfamilie "A1 und CEM" (Stumpfaufbaumaterial) einen Lizenzsatz von 3 %. Der Beklagte widersprach dieser Vergütungsfestsetzung noch im April 2018.
Die Erfindervergütung für das Jahr 2018 berechnete die Beklagte nach den gleichen Parametern wie die für 2017.
Der Kläger klagt auf Zahlung ausstehender Erfindervergütung für die Jahre 2017 und 2018 sowie auf Feststellung, dass die Formel, nach der die Beklagte die Erfindervergütung bis 2016 abgerechnet hat, bis zum Ende der Laufzeit der Schutzrechte Gültigkeit besitzt.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 9.9.2020, auf das gemäß § 540 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf die tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben und entschieden, dass die bis 2016 angewandte Formel verbindlich bleibt, die Regelung insbesondere nicht wegen Nichtberücksichtigung des Anteilsfaktors gemäß 23 ArbnErfG nichtig ist.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagten beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9.9.2020 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
A) Die Feststellungsklage ist unbegründet, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf hat, für seine Diensterfindungen weiterhin nach der Formel vergütet zu werden, die bis zum Jahr 2016 angewendet wurde.
1. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Erfindervergütung ist nicht bereits infolge des Vergleichs vor dem Arbeitsgericht Stadt1 entfallen.
Die in dem Vergleich enthaltene Abgeltungsklausel ist zwar sehr weit formuliert, betrifft aber nur Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Arbeitnehmererfindungsrechtliche Vergütungsansprüche sind aber keine arbeitsvertraglichen Ansprüche und daher von der Abgeltungsklausel nicht erfasst. Es entspricht auch offensichtlich nicht dem Interesse des Klägers, mit Wirkung ab Dezember 2017 auf die Vergütung von Diensterfindungen zu verzichten, die teilweise noch bis zum Jahr 2035 laufen. Wegen dieser Interessenlage hätte ein solcher Verzicht ausdrücklich in den Vergleich aufgenommen werden müssen.
2. Die getroffene Vereinbarung ist jedoch wegen Unbilligkeit gemäß § 23 Abs. 1 ArbnErfG nichtig.
a) § 23 Abs. 1 ArbnErfG ist anwendbar. Es kann dahinstehen, ob der Auffassung beizupflichten ist, dass kollektivrechtliche Abreden nic...