Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftliche Handlung der öffentlichen Hand durch Erbringung unentgeltlicher Leistungen
Leitsatz (amtlich)
In Angebot und Vertrieb einer unentgeltlichen App mit Wetterinformationen durch den Deutschen Wetterdienst liegt nur dann eine geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1 UWG) der öffentlichen Hand, wenn damit zugleich - auch nur mittelbar - der Absatz weiterer, gegen Entgelt erbrachten Dienstleistungen des Deutschen Wetterdienstes gefördert werden soll (im Streitfall verneint).
Normenkette
UWG § 2 Abs. 1 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 24.07.2015; Aktenzeichen 20 O 92/15) |
Tenor
Die Berufung des Antragstellers gegen das am 24.7.2015 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren sowie für das Berufungsverfahren wird in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung auf jeweils 300.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin (die Bundesrepublik Deutschland) betreibt als teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts den Deutschen Wetterdienst (DWD), zu dessen Aufgaben nach dem Gesetz über den Deutschen Wetterdienst (DWDG) neben der Herausgabe von amtlichen Wetterwarnungen (§ 4 I Nr. 3 DWDG) auch die Erbringung meteorologischer Dienstleistungen für die Allgemeinheit oder einzelne Kunden und Nutzer (§ 4 I Nr. 1 DWDG) gegen eine Vergütung (§ 6 II DWDG) gehört. Seit kurzem bietet der DWD eine unentgeltliche, werbefreie App "DWD Warn Wetter" an, die neben Wetterwarnungen auch allgemeine Wetterinformationen enthält. Der Antragsteller, ein Verband privater Wetterdienstleistungsunternehmen, sieht hierin einen Verstoß gegen § 6 II 1 DWDG sowie eine Behinderung seiner Mitglieder und nimmt die Antragsgegnerin deswegen, gestützt auf die Vorschriften des UWG (§§ 8 I, III Nr. 2, 3, 4 Nr. 4, 3a i. V. § 6 II DWDG), im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.
Das LG hat den Eilantrag mangels Bestimmtheit des gestellten Unterlassungsantrages zurückgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Antragsteller das Verfügungsbegehren mit geändertem Antrag weiter.
Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313a ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zwar hat der Antragsteller die vom LG gesehenen Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit des Unterlassungsantrages mit dem in der Berufung zuletzt gestellten Antrag ausgeräumt. Dem Antragsteller steht der auf die Vorschriften des UWG gestützte Unterlassungsanspruch jedoch bereits deshalb nicht zu, weil das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin nicht als geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 I Nr. 1 UWG eingestuft werden kann und damit auch nicht die Tatbestände der §§ 3a, 4 Nr. 4 UWG erfüllt.
Nach § 2 I Nr. 1 UWG ist "geschäftliche Handlung" das Verhalten einer (auch juristischen) Person zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes unmittelbar zusammenhängt. Der Begriff des "unmittelbaren Absatzförderungszusammenhangs" entspricht dabei der Sache nach demjenigen der "Wettbewerbsabsicht" im Sinne des UWG in der vor 2008 geltenden Fassung (vgl. Senat GRUR-RR 2015, 298, juris-Tz. 8; BGH GRUR 2013, 945 [BGH 10.01.2013 - I ZR 190/11] - Standardisierte Mandatsbearbeitung, juris-Tz. 17).
Im vorliegenden Fall ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Antragsgegnerin mit dem unentgeltlichen Angebot der streitgegenständlichen App den Absatz dritter Unternehmen fördern will. Eine Einordnung dieses Verhaltens als geschäftliche Handlung kommt daher nur dann in Betracht, wenn sie damit den Absatz des eigenen Unternehmens zu fördern beabsichtigt. Zwar ist die Antragsgegnerin im Zusammenhang mit dem Betrieb des DWD durchaus "Unternehmerin" im Sinne von § 2 I Nr. 6 UWG, da sie Wetterdienstleistungen jedenfalls auch gegen Entgelt anbietet und damit eine auf die dauerhafte Einnahmenerzielung gerichtete unternehmerische Tätigkeit entfaltet. Zu dieser unternehmerischen Tätigkeit gehört die beanstandete unentgeltlich verbreitete App jedoch weder unmittelbar, noch bestehen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin mit dieser unentgeltlichen App zumindest mittelbar den Absatz ihrer entgeltlich angebotenen Wetterdienstleistungen fördern will.
Bei einem "rein" gewerblich tätigen Unternehmen kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die unentgeltliche Abgabe von Leistungen - zumindest mittelbar - letztlich auch dem allein auf Einnahmenerzielung angelegten Unternehmenszweck, d.h. der Absatzförderung, dienen soll. Dieser Erfahrungssatz kann jedoch auf den von der Antragsgegnerin betriebenen DWD nicht angewandt werden, weil dessen Aufgabe gerade nicht allein in der Erzielung von Einnahmen besteht. Der DWD erfüllt mit der Beobachtung des Wetters und der Unterrichtung hierüber vielmehr in erster Linie öffentliche Aufgaben ...