Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 16 O 21/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 15.11.2017, Az. 16 O 21/16 aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Der Klageanspruch wird im Rahmen eines Teilurteils abgewiesen, soweit Streitgegenstand nicht der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch ist.
Eine Kostentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Erbringung von unentgeltlichen meteorologischen Dienstleistungen durch die Beklagte.
Die Klägerin bietet als gewerblicher Anbieter meteorologische Dienstleistungen an und verbreitet diese über ihre Internet-Website unter www.WetterOnline.de. Ihre Angebote können teils entgeltpflichtig, teils kostenlos abgerufen werden. Seit 2013 bietet die Klägerin auch eine Anwendung für mobile Endgeräte (Wetter-App) an, mit der zahlreiche Wetterinformationen abgerufen werden können und die in der Standard-Version für den Nutzer kostenlos und werbefinanziert ist, die sog. WetterOnline-App. Daneben gibt es werbefreie Versionen, die dem Kunden einen höheren Komfort bieten und gegen Entgelt erhältlich sind.
Die Beklagte ist die Bundesrepublik Deutschland. Sie wird im vorliegenden Verfahren vertreten durch den Deutschen Wetterdienst (DWD), eine Bundesoberbehörde und teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 DWDG). Der DWD ist der nationale meteorologische Dienst der Bundesrepublik Deutschland (§ 4 Abs. 3 DWDG). Die Aufgaben dieser Bundesoberbehörde sind im Rahmen des DWDG gesetzlich festgelegt. Zu den Aufgaben gehört nach § 4 Abs. 1 DWDG n.F. unter anderem "die Erbringung meteorologischer und klimatologischer Dienstleistungen für die Allgemeinheit oder einzelne Kunden und Nutzer" (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 DWDG), "die Herausgabe amtlicher Warnungen über Wettererscheinungen" (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 DWDG), "die Analyse und Vorhersage der meteorologischen und klimatologischen Vorgänge" (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 DWDG), "der Betrieb der erforderlichen Mess- und Beobachtungssysteme ... als Teil der Geodateninfrastruktur" (§ 4 Abs. 1 Nr. 8 DWDG) sowie "die Bereithaltung, Archivierung, Dokumentierung und Abgabe meteorologischer und klimatologischer Geodaten und Dienstleistungen" (§ 4 Abs. 1 Nr. 9 DWDG).
Nach § 5 Abs. 1 DWDG erbringt der DWD seine Dienstleistungen grundsätzlich in privatrechtlichen Handlungsformen. Nach § 6 Abs. 1 DWDG ist er so zu führen, dass die nicht durch Einnahmen gedeckten Ausgaben so gering wie möglich zu halten sind. Nach § 6 Abs. 2 DWDG verlangt der DWD für die Erbringung seiner Dienstleistungen grundsätzlich eine Vergütung, wobei bestimmte, näher bezeichnete Dienstleistungen nach § 6 Abs. 2a DWDG entgeltfrei sind.
Der DWD bot ab Juni 2015 über Vertriebssportale für mobile Endgeräte (den "Google Play Store" und "Apple Store") ebenfalls eine Anwendung für Smartphones und Tablets an, mit der zahlreiche Informationen über das Wetter (u.a. detaillierte Wetterberichte) einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurden, die sogenannte DWD WarnWetter-App. Die WarnWetter-App war unentgeltlich. Auch eine Werbung wurde nicht geschaltet. Die Anwendung wurde von dem Schweizer Unternehmen V entwickelt und wird von diesem gewartet. Der Auftrag an dieses Unternehmen wurde nach einer öffentlichen Ausschreibung nach den in der Ausschreibung vorgesehenen Kriterien vergeben. Die Anwendung wurde binnen kurzer Zeit mit großer Häufigkeit heruntergeladen und erlangte erhebliche Marktverbreitung. Für die inhaltliche Ausgestaltung der Anwendung kann der DWD teils auf eigene Daten zurückgreifen, teils kauft er Daten hinzu, so etwa bei Satellitenbildern und Blitzdaten.
Der Verband Deutscher Wetterdienstleister e.V., dessen Mitglied die Klägerin ist, hatte zunächst versucht, mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Verbreitung der WarnWetter-App in der seinerzeit aktuellen Version untersagen zu lassen. Das Landgericht Darmstadt hatte den Antrag mit Urteil vom 24.07.2015 (20 O 92/15, Anl. der Beklagten, Anlagenband 1) zurückgewiesen mit der Begründung, die Anträge seien nicht hinreichend bestimmt. Das Oberlandesgericht Frankfurt / M. hatte die Berufung mit Urteil vom 04.02.2016 (6 U 156/15, Anl. K13, GRUR 2016, 155) zurückgewiesen mit der Begründung, es liege kein geschäftliches Handeln i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vor.
Parallel zum vorliegenden Verfahren erhob die X GmbH, die wie die Klägerin Mitglied im Verband Deutscher Wetterdienstleister e.V. ist, Klage gegen die Beklagte vor dem Landgericht Bielefeld mit dem gleichen Antrag und der gleichen Begründung (Az.: 15 O 44/16). Im Rahmen dieses Parallelverfahrens wurde die Beklagte mit gleichlautendem Tenor zur Unterlassung verurteilt.
Nachdem Klage erhoben worden war, wurde das DWDG geändert. Mit der Gesetzesänderung sollte zunächst ausdrücklich eine Befugnis des DWD normiert werden, Wetterdaten unentgeltlich der ...