Entscheidungsstichwort (Thema)

Inkontinenzhöschen GRATIS TESTEN

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer Werbeaktion "Inkontinenzhöschen GRATIS TESTEN" wird nicht das Produkt selbst i. S. d. § 7 Abs. 1 HWG unentgeltlich zugewandt, sondern die Rückerstattung des Kaufpreises, wenn der Kunde das Produkt zunächst bezahlen muss und für das Verlangen der Rückerstattung des Kaufpreises ein Foto des Produktes, des Kaufbeleges, seine Adresse sowie Kontoverbindung hochladen muss.

2. Der Anwendung des Ausnahmetatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG steht nicht entgegen, dass der Kaufpreis in Höhe von 100 % zurückerstattet wird.

 

Normenkette

HWG § 7 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 33 O 60/20)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.05.2021 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 60/20 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Dieses Urteil und das genannte Urteil des Landgerichts Köln sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Mitbewerber auf dem Markt für Medizinprodukte zur Behandlung von Inkontinenz bei Frauen. Die Klägerin vertreibt in Deutschland unter der Bezeichnung "B. Pants" Inkontinenzunterwäsche. Die Beklagte vertreibt in Deutschland unter der Bezeichnung "U. Lady Pants Plus" ebenfalls Inkontinenzunterwäsche. Der Endverkaufspreis für das Produkt der Beklagten lag im Einzelhandel bei über 8,00 EUR.

Seit April 2018 versah die Beklagte die Verpackung ihres Produktes mit einem zusammengefalteten Aufkleber mit der Aufschrift "GRATIS TESTEN" (vgl. Anlage K5). Nach Aufklappen dieses Aufklebers wurde eine Anleitung sichtbar, wie Käufer den Kaufpreis erstattet bekommen können. Hierzu musste das Produkt der Beklagten zunächst käuflich erworben und bezahlt werden. Anschließend konnte ein Foto von Kassenbon und Aktionspackung auf der Website der Beklagten (www.tena.de/gratis-testen) unter Angabe von Name, Anschrift und Bankverbindung des Käufers hochgeladen werden. Danach sollte der Kaufpreis innerhalb von 14 Tagen rückerstattet werden (vgl. Anlage K5). Ende Juni 2018 beendete die Beklagte diese "Gratisaktion".

Auch die Klägerin bewarb ihr Produkt auf ihrer Website mit einer "Gratis Testen"-Aktion, in deren Rahmen der Kaufpreis für die Aktionspackung erstattet werden konnte.

Mit Schreiben vom 27.04.2018 mahnte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung ab und forderte sie erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.

Unter dem 14.05.2018 beantragte die Klägerin vor dem Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung, die mit Beschluss vom 22.05.2018 (Anlage K9) erlassen und nach Widerspruch der Beklagten mit Urteil vom 24.07.2018 (Anlage K10) bestätigt wurde. Das OLG Hamburg hob mit Urteil vom 20.06.2019 (Anlage K11) die zuvor ergangenen Entscheidungen auf und wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.

Die Klägerin hat gemeint, dass die Beklagte mit ihrer Gratis-Testen-Aktion gegen § 7 Abs. 1 HWG verstoße, weil sie Medizinprodukte kostenlos an Verbraucher abgebe. Dabei handele es sich nicht um einen zulässigen Preisnachlass in Form eines bestimmten Geldbetrages, weil der angesprochene Verkehr mit der Gratisabgabe des Produktes selbst gelockt werde.

Die Klägerin hat beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen das Medizinprodukt "U. Lady Pants Plus" gegenüber Verbrauchern als Gratisabgabe anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, wenn dies wie in Anlage K5 und/oder Anlage K6 und/oder Anlage K7 geschieht;

II. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der Verpflichtungen gemäß Ziff. I. der Beklagten ein Ordnungsgeld von bis zu Euro 250.000, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen;

III. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, welcher ihr durch die unter Ziff. I. bezeichneten Handlungen entstanden ist und/oder künftig noch entstehen wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hilfsweise widerklagend - für den Fall, dass die Klage Erfolg hat - hat die Beklagte zuletzt beantragt,

1. die Klägerin zu verurteilen, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen

a. ihre Inkontinenz-Einlagen aus der Reihe "B. Boutique" gegenüber Verbrauchern als Gratisabgabe anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, wenn dies wie in Anlage B1 geschieht,

und/oder

b. ihre Inkontinenz-Einlagen aus der Reihe "B." gegenüber Verbrauchern als Gratisabgabe anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, wenn dies wie in Anlage B3 und/oder Anlage B4 und/oder Anlage B5 geschieht,

und/oder

c. ihre Inkontinenz-Einlagen und/oder Inkontinenz-Höschen aus der Reihe "B." gegenübe...

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