Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrsunfall: Anscheinsbeweis bei schuldhaftem Verstoß gegen § 2 I 1 StVO
Normenkette
StVO § 2 Abs. 1 S. 1; StVG §§ 17-18
Verfahrensgang
LG Kassel (Urteil vom 14.06.2012; Aktenzeichen 5 O 1199/11) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 14.6.2012 verkündete Urteil des LG Kassel, 5 O 1199/11, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.
Der Kläger darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von den Beklagten Zahlung von Schmerzensgeld, materiellen Schadensersatz sowie Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden nach einem Verkehrsunfall am ... Mai 2010.
An diesem Tag befuhr der Kläger mit einem Leichtkraftrad der Marke A, amtliches Kennzeichen ..., gegen 10:30 Uhr die ... von O1 kommend in Richtung O2. Beim Durchfahren einer aus Fahrtrichtung des Klägers gesehen nach rechts verlaufenden Kurve kam es zum Zusammenstoß zwischen dem klägerischen Kraftrad und dem vom Beklagten zu 1) geführten, bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw der Marke B, amtliches Kennzeichen ... Vor dem Zusammenstoß hatte der Kläger mit dem Motorrad seine eigene Fahrspur verlassen und war auf die Gegenfahrbahn geraten. Der Zusammenstoß zwischen den beiden Fahrzeugen erfolgte frontal, wobei die Anstoßstelle am Fahrzeug des Beklagten zu 1) im vorderen rechten Frontbereich lag.
Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil, Blatt 149 bis 156 der Akten.
Das LG hat nach Vernehmung der Ehefrau des Beklagten zu 1) als Zeugin sowie nach Anordnung der Verwertung des in dem gegen den Kläger eingeleiteten staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren (.../10, Staatsanwaltschaft Kassel) eingeholten schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen SV1, C O3, das der Sachverständige unter dem Datum des 13.2.2012 im Verfahren vor dem LG schriftlich ergänzt hat, abgewiesen. Zur Begründung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Schadensersatz wegen des Unfallereignisses gegen die Beklagten zu. Zwar seien dem Grunde nach die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten nach dem Straßenverkehrsgesetz gegeben. Die Ersatzpflicht der Beklagten sei auch nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, weil der Unfall nicht durch höhere Gewalt verursacht sei. Ebenso wenig stelle sich der Unfall als unabwendbares Ereignis i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG für einen der Unfallbeteiligten dar. Insbesondere habe der Kläger den Nachweis nicht geführt, dass sich das herannahende Fahrzeug des Beklagten zu 1) für den Kläger nicht als subjektiv gefährlich dargestellt habe. Gleichwohl sei im Ergebnis von einer alleinigen Haftung des Klägers für das Unfallereignis auszugehen. Ein vorwerfbares Verhalten des Beklagten zu 1) sei nicht feststellbar. Zu Lasten des Klägers müsse im Wege des Anscheinsbeweises aber davon ausgegangen werden, dass er beim Verlassen der eigenen Fahrspur sich schuldhaft verkehrswidrig verhalten und gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 StVO verstoßen habe. Zudem sei der Kläger nicht wie von § 2 Abs. 2 StVO vorgeschrieben möglichst weit rechts auf seiner Fahrbahn gefahren. Vielmehr sei er bereits eingangs der aus seiner Sicht rechts verlaufenden Kurve nahe an der Mittellinie gefahren. So habe es der Kläger selbst behauptet und dazu seine eigenhändig angefertigte Unfallskizze zur Akte gereicht (Bl. 25 d.A., Skizze 1). Weiter ergebe sich aus dem Vorbringen des Klägers, dass er sich nach dem Überfahren der Mittellinie weit im Bereich der Gegenfahrspur und sogar im Bereich der rechten Frontseite des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) befunden habe, als es zu dem Zusammenstoß der Fahrzeuge gekommen sei. Damit stehe fest, dass der Kläger mit seinem Fahrzeug vor dem Zusammenstoß seine eigene Fahrspur deutlich verlassen gehabt habe. Typischerweise gehe einem solchen deutlichen Verlassen der eigenen Fahrspur ein objektiv und subjektiv pflichtwidriger schuldhafter Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 StVO voraus. Dem Kläger sei es nicht gelungen diesen Anscheinsbeweis zu entkräften. Tatsachen, die auf einen atypischen Geschehensablauf hindeuten würden, seien nicht festzustellen. Zwar habe der Sachverständige in seiner ergänzenden schriftlichen Stellungnahme vom 13.2.2012 ausgeführt, dass die Schilderung des Klägers zum Unfallhergang, wonach der Kläger das entgegenkommende Fahrzeug des Beklagten zu 1) mit einer Breite von mindestens 0,5 m auf seiner Fahrspur fahrend wahrgenommen habe und deshalb zu einem Ausweichmanöver angesetzt habe, auch zutreffen könne. Das reiche aber zum Nachweis des vom Kläger behaupteten Unfallhergangs nicht aus. Denn der Sachverständige habe in s...