Entscheidungsstichwort (Thema)

Bodenbeschichtung. Estrich. Feuchtigkeit. Fußbodenkonstruktion. Hinweispflicht. Prüfpflicht. Prüfungspflicht. Unternehmer. Vorarbeiten. Schadenersatz wegen mangelhafter Verlegung eines Kunststoffbodens (hier: Umfang von Prüfungs- und Hinweispflichten des Unternehmers)

 

Leitsatz (amtlich)

Jeder Werkunternehmer, der seine Arbeit in engem Zusammenhang mit der Vorarbeit eines andern oder aufgrund dessen Planungen auszuführen hat, muss prüfen und ggf. auch geeignete Erkundigungen einziehen, ob diese Vorarbeiten, Stoffe oder Bauteile eine geeignete Grundlage für sein Werk bieten und keine Eigenschaften besitzen, die den Erfolg seiner Arbeit in Frage stellen können. Der Rahmen dieser Verpflichtung und ihre Grenzen ergeben sich aus dem Grundsatz der Zumutbarkeit, wie sie sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls darstellt.

 

Normenkette

BGB §§ 633-634, 636; VOB/B § 4 Nr. 3, § 13 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Entscheidung vom 23.06.2009; Aktenzeichen 13 O 591/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 23. Juni 2009 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 152.821,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Januar 2007 sowie weitere 2.381,48 € jeweils nebst Zinsen von Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2009 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen, die Berufung im Übrigen zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 45%, die Beklagte 55%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrags leistet.

Die Revision wird - beschränkt auf den in den Entscheidungsgründen näher dargelegten Umfang - zugelassen.

Der Gegenstandswert für die Berufungsinstanz wird auf 274.706,20 € festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist ein Kosmetikunternehmen und unterhält u. a. eine Lagerhalle mit Hochregalen und einer Fläche von circa 2.500 m². Bei der Beklagten handelt es sich um einen Spezialbetrieb für die Herstellung gewerblich nutzbarer Böden auf Kunststoffbasis.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen mangelhafter Verlegung eines Kunststoffbodens in Anspruch.

Die Klägerin wandte sich Ende 2002 an die Beklagte, um eine dauerhafte und dem Betriebszweck entsprechende Bodenbeschichtung zu erhalten. Der Boden in der Lagerhalle bestand zu dieser Zeit aus einem unbeschichteten Magnesia-Estrich auf einer Tragbetonschicht. Eine Feuchtigkeitsabdichtung unter dem Beton zum Erdreich hin gab es nicht.

Pläne des Bodenaufbaus waren nicht vorhanden. Der genaue Bodenaufbau war der Klägerin auch nicht bekannt. Ein Architekt wurde durch die Klägerin nicht eingeschaltet.

Vor der Erstellung eines Angebots führte die Beklagte eine Ortsbesichtigung durch, in der die zu bearbeitenden Bodenflächen näher in Augenschein genommen und ermittelt wurden. Dabei wurde festgestellt, dass Teile des Estrichs ausgetauscht werden mussten.

Die Beklagte erstellte unter dem 6. Dezember 2002 ein Angebot über die Durchführung der gesamten Fußbodenbeschichtung des Lagergebäudes und die dafür notwendigen Arbeiten und riet zur Ausführung des Bodenbelags "X" in einer Dicke von 5 mm. Mit Schreiben vom 15. Januar 2003 nahm die Klägerin das Angebot an.

In diesem Angebot, hinsichtlich dessen Einzelheiten auf Bl. 12ff. der Akte verwiesen wird, wies die Beklagte auf ihre Kompetenz und weltweite Tätigkeit hin. Sie pries den schließlich verlegten Boden als "für die Anwendung in Ihrem Betrieb maßgeschneidert" an, beschrieb auch einen alternativen dünneren Belag, führte dann aber Vorteile des X an, der durch die dickere Nutzschicht von 5mm statt 2 mm Unebenheiten ausgleiche und unempfindlicher gegen Kratzer etc. sei. Außerdem erwähnte sie als Vorteil "diffusionsoffener Belag!".

Bei der Beschreibung des Untergrunds ging die Beklagte zutreffend von einem Magnesia-Estrich aus und stellte fest:

"Wir gehen davon aus, dass kein Wasser zum Magnesia-Estrich gelangen kann (seitlich oder von unten)";

sowie

"Der Boden soll höchstens eine Restfeuchte von 2,0 bzw. 3% aufweisen, bevor der Bodenbelag eingebaut werden kann."

Unter der Überschrift Garantie/Haftung enthält das Angebot folgende Formulierungen:

"Schäden am Boden, die ihre Ursache im Unterbau/Untergrund finden, gehören nicht zu der Gewährleistung. ...

Unsere Haftung ist begrenzt auf den jeweiligen Auftragswert, die Haftung für Vermögens- und Folgeschäden ist ausgeschlossen."

Die Beklagte führte Restfeuchte-Messungen durch den Zeugen Z2 durch, die sowohl den Estrich als auch den Tragbeton betrafen. Dabei wurde nur geringe Restfeuchte festgestellt, die eine Bodenverlegung nicht in Frage stellte.

Die Beklagte führte in der Folgezeit die Arbeiten durch, sanierte den Estrich auf einer Fläche von 285,83 m² und stellte unter de...

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