Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Geschäftsführers für ihm unbekannte Wettbewerbsverstöße seiner Gesellschaft
Leitsatz (amtlich)
Unterlässt der Geschäftsführer eines Unternehmens im Hinblick auf einen mit ihm geschlossenen "Treuhandvertrag" jegliche geschäftsführende und überwachende Tätigkeit für das von ihm geleitete Unternehmen, werden ihm Rechtsverletzungen Dritter, die auf dieser Unterlassung beruhen, als eigenes täterschaftliches Handeln zugerechnet, da auch auf diesen Fall das vom BGH in der Entscheidung "Halzband" (GRUR 2009, 597) entwickelte Haftungsmodell anwendbar ist.
Normenkette
UWG § 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.03.2010; Aktenzeichen 3/12 O 121/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 26.3.2010 verkündete Urteil der 12. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 60.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Verantwortung der Beklagten für eine von der Klägerin als Verstoß gegen §§ 3, 5 UWG erachteten Aussendung (rechnungsähnlich aufgemachtes Angebotsschreiben für die Eintragung in einem Branchenbuch). In dem vorangegangenen Eilverfahren (Beschl. v. 14.5.2009 - 6 W 64/09) hatte der Senat die Auffassung der Klägerin geteilt. Dies wird von der Beklagten in dem vorliegenden Verfahren nicht beanstandet.
Die Beklagte hatte von der beanstandeten Aussendung keine Kenntnis. Sie war "director" der A. Diese Gesellschaft wiederum fungierte aufgrund der "Vereinbarung über treuhänderische Geschäftsführung" vom 18.12.2007 (Anlage B 2) als "director" der B, von der die streitgegenständlichen Aussendungen letztlich an Gewerbetreibende in Deutschland versandt wurden. Die Beklagte hat den Treuhandvertrag gekündigt, nachdem sie von der Aussendung Kenntnis erlangt hat. Ihren Geschäftssitz hatten sowohl die A als auch die B im Vereinigten Königreich. Die Beklagte hat - nach eigenen Angaben - ihren (Erst-) Wohnsitz ebenfalls im Vereinigten Königreich. Die Zustellung an die Klägerin konnte an einer Adresse in Deutschland erfolgen.
Die Beklagte hat sich darauf berufen, die A sei lediglich treuhänderisch als Direktor der B tätig gewesen. Wirtschaftlich und im Innenverhältnis sei der Treugeber alleiniger Direktor der Gesellschaft und habe die Geschäfte eigenverantwortlich geführt. Sie hat geltend gemacht, für die Aussendung deshalb nicht verantwortlich zu sein. Darüber hinaus hat die Beklagte die Unzuständigkeit der deutschen Gerichte gerügt und die Auffassung vertreten, der Rechtsstreit sei nach englischem Recht zu entscheiden.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Die Beklagte beantragt, das am 26.3.2010 verkündete Urteil des LG Frankfurt/M. in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 3-12 O 121/09 wird aufgehoben und die Klage wird als unzulässig bzw. hilfsweise unbegründet abgewiesen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
In der Berufungsinstanz wiederholen und vertiefen die Parteien ihren erstinstanzlichen Vortrag. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf die erstinstanzliche Entscheidung und im Übrigen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
Für seine Entscheidung hatte der Senat von der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte und der Anwendbarkeit des materiellen deutschen Rechts auszugehen.
Innerhalb der EU richtet sich die internationale Zuständigkeit nach der Verordnung (EG) 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) - Zöller, ZPO, 28. Aufl., Anhang I, S. 2974 ff. Sie gilt nach ihrem Art. 1 für alle Zivil- und Handelssachen und ist in allen Mitgliedstaaten - außer Dänemark - ab dem 1.3.2002 anwendbar. In den danach beigetretenen Mitgliedstaaten gilt sie ab dem Beitrittsdatum (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl. Anhang I Rd 1).
Grundsätzlich sind nach Art. 2 EuGVVO Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates haben, vor den Gerichten dieses Mitgliedstaates zu verklagen. Dabei genügt auch ein in einem Mitgliedstaat bestehender Zweitwohnsitz (Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., Anhang I Art. 2 Rd 7).
Die Beklagte hat ihren (Haupt-)Wohnsitz nach eigenem Bekunden in England. Gleichwohl konnte an sie - durch Niederlegung in den Briefkasten - in O1 zugestellt werden, wo sie eine Zeitwohnung besitzt. Der Behauptung der Klägerin, dass die Beklagte "offensichtlich" deutsche Staatsbürgerin ist, hat sie nicht widersprochen. Daraus folgt, dass die internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 2 Nr. 1 EuGVVO selbst dann zu bejahen ist, wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, dass...